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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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loslassen.
    Ferdinand hielt mich zurück. »Er ist mein Sohn!«
    Verständnislos drehte ich mich zu ihm um. Was war er bloß für ein Monster?
    Denn wovon lebt der Mensch? , klang leise Musik aus den Lautsprechern. Indem er stündlich den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frisst.
    »Warum?«, stammelte ich. »Warum?« Aber glauben Sie wirklich, er hätte mir eine Antwort gegeben?
    Zu seinem Sohn sagte er: »Verscharr sie!«
    Der Junge rührte sich nicht.
    »Ich mach’ das«, sagte ich.
    » Er wird das machen!«, befahl mein Mann. Doch sein Sohn war kaum dazu in der Lage. Also musste ich ihm helfen. Wir hoben ein Loch im Lehmboden des Kellers aus und vergruben die Leiche. Als wir fertig waren, tätschelte Ferdinand seinem Sohn die Wange. »Das hast du gut gemacht. Ich bin stolz auf dich.«
    Nur dadurch lebt der Mensch , sang die Stimme aus den Lautsprechern, dass er so gründlich vergessen kann, dass er ein Mensch doch ist.
    Anschließend musste ich den Keller reinigen. Es dauerte drei Stunden, bis ich davon überzeugt war, jeden Blutfleck und jeden Knochensplitter entfernt zu haben.
    »Gut«, sagte Ferdinand. »Und jetzt essen wir zu Abend.«
    Mir drehte sich der Magen um, aber ich erbrach nur bittere Galle. Auch meinem Sohn stand der Schock noch immer ins bleiche Gesicht geschrieben. Ich nahm ihn an die Hand, setzte ihn in der Küche auf einen Stuhl und wusch ihn mit einem Schwamm, den ich in eine Schüssel Wasser tauchte.
    Während ich die Pfanne erhitzte, tönte aus der Stube der Fernseher. Zwischen den Nachrichten, die über den seltsam fernen Wandel unseres Landes berichteten, verlas der Sprecher einen dringenden Hinweis. Eine junge Frau mit dem Namen Margrit Grote sei vor zwei Tagen von ihren Eltern in Berlin als vermisst gemeldet worden. Im selben Moment erlosch das TV -Gerät. Ferdinand schritt durch das Wohnzimmer. Ich bewegte mich nicht. Dann lief wieder Musik.
    Ich drehte mich zu meinem Sohn um. Wie eine seelenlose Hülle saß er auf dem Stuhl. Ich ging vor ihm in die Hocke. »Mein Liebling.«
    Er reagierte nicht.
    »Du darfst niemandem davon erzählen.«
    Er starrte zu Boden.
    Als ich ihn schließlich an den Schultern packte, begann er zu strampeln.
    »Hast du verstanden?« Ich hielt ihn fest.
    Er zappelte wie ein Irrer.
    Ich schlug ihm ins Gesicht. »Hör auf!«
    Augenblicklich saß er still.
    »Hast du mich verstanden?«, zischte ich.
    Er starrte mich an. Langsam nickte er.
    »Gut«, sagte ich und sah, wie Entsetzen und Abscheu sein Gesicht erfüllten. In dieser Sekunde wurde mir bewusst, was ich gerade getan und gesagt hatte. Hass überkam mich, am allermeisten Hass auf mich selbst. Was war ich bloß für eine Mutter?
    Ihr Herren bildet euch nur da nichts ein , spielte die Musik in der Stube. Der Mensch lebt nur von Missetat allein.
    Ich stand auf und ging zum Herd. Nein , dachte ich, der Schrecken wird niemals ein Ende haben.
    Kapitel 54
    Irgendwie war Alex nicht einmal überrascht, als er seinen Freund den Namen nennen hörte. Bauer Schulze. Mit einem Mal bekam die seltsame Unterredung in Schulzes Touareg eine neue Bedeutung. Du willst dem Dorf doch nicht schaden, oder ? Wer sagte, dass es dem Landwirt tatsächlich ums Dorf ging? Vielleicht war sein Bestreben viel eigennütziger. Mit einem Kopfnicken forderte Alex Paul zum Weiterreden auf.
    »Nicht viel später hab’ ich die Kneipe dichtgemacht«, erzählte dieser. »War sowieso nicht viel los. Danach habe ich dir den Zettel geschrieben, hast du ihn gelesen? Ich rief mir ein Taxi und ließ mich zu Schulze rausfahren. Er hat mir die Tür vor der Nase zugeknallt.«
    »Und?«
    »Ich habe nachgeforscht«, fuhr Paul fort, »und Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um in das Archiv der Berliner Zeitung zu gelangen. Ein alter Kollege ließ mich rein. Das hat mich ein halbes Vermögen gekostet – und die halbe Nacht, nur damit du es weißt. Deswegen haben mich die Anrufe der Polizei erst heute Morgen erreicht. Ansonsten wäre ich schon längst bei dir gewesen.«
    »Wieso bist du dann hier und nicht auf dem Revier?«
    »Ich sagte dir doch, Norman hat mich vorhin angerufen und mir erzählt, dass du das Weite gesucht hast.« Paul konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Was soll ich also dort?«
    »Deine Aussage machen. Meine Unschuld bestätigen.«
    »Genau das habe ich vor. Darf ich?« Paul erhob sich ein wenig. »Ich brauche meinen Rucksack.«
    Alex ließ ihn gewähren. Sein Freund ging in das benachbarte Badezimmer und schnäuzte

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