Die Männer der Raumstation
entwickelte sich aufwärts. Entdeckte das Ichbewußtsein, setzte sich durch, vermehrte sich und wurde fruchtbarer in den Möglichkeiten und gedanklicher Zielsetzung. Je nach den Umständen, deren Verhältnisziffern zwar ungeheuer groß, doch endlich waren, bildete sich etwas wie Elite heraus, die andere Rassen überholte. Zu jener Elite gehörte, rein biologisch betrachtet, Homo sapiens diluvialis. Unspezialisiert, krisenanfällig und schnell denkend.
Eines Tages, spät genug, schaffte es der Mensch, die Schwerkraft zu überlisten und seinen Planeten zu verlassen. Er wußte nichts von seinen Brüdern unter dem Licht ferner Sterne. Er konnte sich vorstellen, wie sie aussahen, was sie dachten oder empfanden ... wegen Beweismangels blieben alle diese Gedanken reine Fiktionen. Unzählige Geschichten, oft bizarr und dennoch mit kleinen erhellenden Lichtern angefüllt, rankten sich um die vermutlichen Begegnungen zweier raumfahrender Völker. Von überströmender, geradezu pathologischer Herzlichkeit bis zu erbitterten Raumschlachten gingen die gedanklichen Möglichkeiten – vernünftige Autoren blieben in der Mitte. Aber auch sie wagten keine verbindliche Prognose.
Traf Homo sapiens, wenn die Zeit reif war, auf Partner?
Trafen Krieger aufeinander und zogen die Waffen?
Umarmten sich Misanthropen, schüttelten Philanthropen sich die Hände und die Tentakel?
Die uralte Wahrheit, daß der Prozeß des Lebens die originellsten Geschichten erfindet, ohne sich anzustrengen, wurde nicht außer Kraft gesetzt ...
Zeit ist subjektiv: Sie vergeht für jeden in anderer Schnelligkeit oder Langsamkeit. Daher ist auch der Gedanke, daß irgendwo in dieser Galaxis eine Rasse existiert, die den Menschen auf Grund ihrer Evolutionsgeschwindigkeit überholt hat, keineswegs abwegig. Als erstes werden diese Wesen die totale Beherrschung aller Technik gelernt haben, dann werden sie ein Weltbild geschaffen haben, in dem die Technik nicht Zweck, sondern Sklave war. Dann würden sie sich aufmachen, um Brüder im All zu finden. Und überall, in jeder Zeit und auf jeder Welt waren es einzelne Individuen, die genügend Mut, Kenntnisse und Selbstbewußtsein mitbrachten, um den Hügel zu ersteigen und zu sehen, was jenseits lag. Sie flogen nicht mit einem Heer, sondern waren Einzelgänger.
Sie hatten zwei Dinge gemeinsam, gleich, von welcher Welt sie kamen und wie sie aussahen, sprachen, dachten oder handelten:
Wissenschaftlich fundierte, brennende Neugierde – und Toleranz.
*
11. Juli bis 16. Juli 2389 – 12 Uhr 30
Peer VanCarbon lag entspannt in dem wuchtigen Sessel seines Wohnraums und sah sich Bilder an, die außer Ion noch kein lebender Mensch jemals gesehen hatte. Es waren die Seitenflächen jener Würfel, die aus dem Schiff der Pfadfinderinnen stammten. Eine Automatik, deren Funktion Peer nur herausfinden hatte können, indem er mit Hilfe Shahis einen Würfel demontierte, speicherte bis zu zweihundert Einheiten.
Schiffe, Häfen, Städte, Landschaften unter Sonnen von phantastischer Leuchtkraft, Wesen, die oftmals so bizarr waren, daß Peer nachfragen mußte, ob es sich um ein Lebewesen oder um eine Pflanze handelte ... das alles zeigten die Bilder. Sie zeigten weiterhin eine Kultur, die sich aus den Einzelheiten von einhundert Welten zusammensetzte und in ihrer Vielschichtigkeit schwer zu begreifen war. Da Peers Bildungsprozeß in einem atemberaubenden Zickzack verlaufen war, funktionierten seine Gedankengänge wesentlich anders als die erprobten Schemata akademischer Bildung; sie verliefen unorthodox. Peer hatte wenig Schwierigkeiten, diese vielfältige, aus Tausenden Facetten zusammengesetzte Kultur zu begreifen.
Er nahm einen tiefen Schluck aus dem Glas.
Die vergangenen einhundertzweiundzwanzig Tage waren interessanter gewesen als jede andere Zeit seines Lebens. Ohne sich anzustrengen, hatten die beiden Männer ihren Gesprächspartnerinnen etwa jeden Tag ein anderes Geheimnis entrissen.
Das Aussehen: Die Rasse, die vom Zentralplaneten Moodgeegalee stammte, sah, bis auf wenige unwichtige Äußerlichkeiten, humanoid aus. Der Planet war auch, wie Gespräche und Bilder klargemacht hatten, annähernd erdgleich.
Aber ... diese Mädchen konnten einfach alles.
Peer erinnerte sich einer charakteristischen Szene. Es war einige Stunden nach dem Abflug zur havarierten My Cephei Ares gewesen. Sie waren nebeneinander in der kleinen Kabine der Triton dem Schiff entgegengeflogen. Peer hatte einen langen Vortrag angefangen; er
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