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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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Björn Bues feisten Nacken in riesenhafter Vergrößerung, und er sah seine eigenen Hände, die ihn mit aller Kraft umklammert hielten. Bue würgte, als ob er sich erbrechen müsse, er versuchte, Björns Hände abzuschütteln, griff, als ihm dies nicht gelang, nach der Eisenstange. Björn hörte, wie sie fauchend die Luft durchschnitt, er warf sich zur Seite, prallte mit dem Hinterkopf auf den Dollbord und stürzte ins Wasser.
    Sein Körper drehte sich langsam um die eigene Achse, während er immer tiefer in eine von grünlichen Schlieren durchwobene Dunkelheit sank. Einmal bemerkte er über sich die zerfließenden Umrisse des Kahns. Er sah, wie ein Ruderblatt durch die Wasserfläche brach und dunkle Ringe auf ihr hinterließ. Dann gruben sich seine Finger in körnigen Sand. Das Wasser des Haffs war nicht tief. Vielleicht konnte er, wenn er sich aufrichtete, den Kopf aus dem Wasser heben. Doch dort oben lauerte Bue auf ihn mit schlagbereiterEisenstange; er würde ihn erschlagen, wie er Harald Blauzahn erschlagen hatte. Björn kroch, schwebte, flog über den Grund des Haffs. Er streift die wiegenden Wipfel eines Tangwalds. Er ist ein Fisch, ein Vogelfisch, ein Vogel. Hinter dem Wald ist es hell. Gelbes Licht gleißt auf glatten, spiegelnden Flächen. Sie sind aus Eis. Er fliegt über eine Eiswüste. Unter ihr atmet das Meer. Wenn er flatternd auf der Stelle verharrt, kann er sehen, wie sich die Eisplatten heben und senken. Auf einer Eisscholle sitzt groß und breitschultrig die Hexe Hyrrokkin. Ihre Augen sind grün. Ihre Haare sind Schlangen; sie ringeln sich um ihr faltiges Gesicht. Sie winkt Björn zu sich, und er setzt sich auf ihre Schulter. Da wird sein Gefieder allmählich schwarz. Er ist ein Vogel, ein Nachtvogel, die Nacht.

17
    SIE HATTE RÖTLICHES HAAR und graue Augen. »Thordis«, stammelte er. Sie schüttelte lächelnd den Kopf und beugte sich tiefer zu ihm herab. Nun erkannte er sie. Es war das Gesicht seiner Tochter. Es waren Vigdis' graue Augen, die er auf sich gerichtet sah.
    Sie legte seinen Kopf in ihren Schoß und gab ihm zu trinken. Das Getränk schmeckte nach ranzigem Tran; er spürte, wie es seine Sinne belebte. Er roch das Meer. Er hörte, wie der Wind im Tauwerk sang. Er sah über sich ein braunes Segel vor blaßblauem Himmel und schaumgekrönte Wellen, soweit das Auge reichte.
    Am Stand der Sonne las er ab, daß sie nach Westen segelten. Das Schiff war ein schmaler, leicht gebauter Achtruderer, ähnlich jenem, den sie auf der Reise nach der Jomsburg erbeutet hatten. Die Besatzung bestand aus einem halben Dutzend verwegen aussehender Männer. Einer stand am Ruder, die anderen lagen schlafend auf dem Deck.
    Vigdis trug Männerkleidung. Ihre Haut war von der Sonne gebräunt, und auf ihrer Oberlippe wuchs dunkler Haarflaum. Ihre Züge waren schärfer geworden, doch Björn fand, daß dies ihrer Schönheit nicht schade. Er schloß die Augen und sagte: »Rede zu mir, damit ich glauben kann, daß du wirklich bist.«
    »Ich bin so wirklich wie du und das Schiff und die Männer dort«, antwortete sie.
    »Sprich weiter«, bat er. »Es tut gut, deine Stimme zu hören. Erzähl mir, wie es geschehen konnte, daß ich aus dem Dunkel des Totenreichs ins Leben zurückgekehrt bin.«
    »Das wäre eine Geschichte, wie du sie zu erzählen liebst, Vater, denn sie steckt voller Zufälle und merkwürdiger Begebenheiten«, entgegnete Vigdis. »Doch ich bin nicht geübt im Geschichtenerzählen. Laß mich also in dürren Worten berichten, daß du dein Leben mehreren verdankst. Der eine war Poppo, der mir davon Kenntnis gab, daß König Harald aus der Stadt geflohen sei und dich gezwungen habe, ihn zu begleiten. So machte ich mich auf die Suche nach dir. Der andere war ein Mann von Gautland namens Harald, einer von Thorgrims Leuten. Ihr hattet ihn als Gefangenen mit euch genommen, doch beim ersten Angriff der Dänen gelang es ihm, aus der Jomsburg zu entweichen. Auf Umwegen kehrte er zu Thorgrim zurück, und von ihm erfuhr ich mehr über dich, als mir zu wissen lieb war. Darauf ging ich zu Odinkar, um ihm zu sagen, daß du es nicht verdient hättest, das gleiche Schicksal zu erleiden wie König Harald und Bue der Dicke, falls Mistui euch ausliefern würde. Das war in jener Nacht, als man dich mehr tot als lebend auf Odinkars Schiff brachte. Der Zufall wollte es, daß Odinkar tags zuvor eine Botschaft von Poppo erhalten hatte, und dieser verdankst du es mehr als meinem Bitten, daß der Gode dich mir überließ. Seitdem

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