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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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Mistuis Arme und beklagte laut jammernd sein Los. Mistui wandte sich angewidert ab, denn noch mehr als das würdelose Gebaren des Freundes ekelte ihn dessen Gestank. Er bat ihn, sich zu beruhigen; auch er trauere um seinen Schwager, aber immerhin habe dieser noch eine Ruhmestat vollbracht, bevor er den Tod gefunden habe.
    »Man hat ihn hinterrücks ermordet!« schrie Harald. »Es war einer von deinen Leuten, Mistui! Als nächsten werden sie mich umbringen!«
    »Mäßige dich, Harald«, entgegnete der Obodritenkönig, indem er sich gewaltsam aus der Umarmung löste. »Es kränkt mich, dich so reden zu hören. Laß es nicht soweit kommen, daß ich darüber nachzudenken beginne, was es mich kostet, dir Gastfreundschaft zu gewähren.«
    »Mistui, Bruder«, sagte Harald und verzog das Gesicht zu einem kläglichen Lächeln. »Ich werde dir den Schaden tausendfach vergüten. Du sollst nicht nur Burgundaland bekommen, ich will dir auch Gunhild zur Frau geben, die Witwe des Königs von Jorvik.«
    »Was soll ich mit einer Frau anfangen, die mir keine Kinder mehr gebären kann?« fragte Mistui.
    »Sie ist meine Schwester«, antwortete Harald. »Soviel ich weiß, hat sich noch kein Slawenkönig rühmen können, der Schwager des Königs von Dänemark zu sein.«
    Mistuis Antwort war ein fauchender Furz, den er fahren ließ, ohne daß es ihn nach seiner Deutung zu verlangen schien. Denn während Jaczko noch beflissen schnüffelte, wandte er sich zum Gehen und sagte: »Da du dich von Mördern umgeben siehst, werde ich dafür sorgen, daß niemand zu dir vorgelassen wird außer einer Magd, die euch Essen und Trinken bringt.« Damit verließ er den Raum. Keiner von ihnen sollte König Mistui wiedersehen.
    Seit diesem Tag war die Magd ihre einzige Verbindung zur Außenwelt. Sie war in jungen Jahren als Sklavin nach Holmgard verkauftworden und hatte dort die Sprache der Waräger erlernt. Sie erzählte, die Dänen seien damit beschäftigt, einen schwimmenden Turm zu bauen, und ein ähnliches, auf Rundhölzern ruhendes Gerüst sei unweit des südlichen Tores im Entstehen begriffen. Unter Mistuis Männern mehrten sich die Stimmen, die den Obodritenkönig zum Einlenken aufforderten; auch Jaczko empfehle ihm, die Zeit bis zur Fertigstellung der Türme für Verhandlungen zu nutzen. Das seien beunruhigende Nachrichten, meinte Bue der Dicke, und Björn stimmte ihm zu.
    Harald schien von alledem nichts wahrzunehmen. Er kauerte, die Arme um seine Knie geschlungen, in einer Ecke und starrte vor sich hin, während ihm der Speichel von den Lippen troff. Hin und wieder entschlüpften ihm Worte, die im einzelnen zwar verständlich waren, zusammengenommen jedoch keinen Sinn ergaben. Eines Tages erwachte er aus der Erstarrung und begann, auf allen vieren im Raum herumzukriechen. Als Björn ihn fragte, was er suche, packte Harald ihn am Hals und schrie, er vermisse seinen Zahn und fordere ihn zurück, da einer von beiden ihn gestohlen habe. Dann stürzte er sich auf Bue, doch dieser stieß ihn so heftig gegen die Wand, daß Harald das Bewußtsein verlor. Dadurch verwirrten sich seine Sinne noch mehr; als er wieder zu sich gekommen war, deutete er auf Bue und flüsterte: »Wer ist dieser Mann, dessen Anblick mich martert? Stell fest, was er will, und befreie mich von seinen Forderungen, wenn du kannst, damit er mich nicht mehr verfolgt.«
    Am Abend, als sie die Speisen brachte, berichtete die Magd, einer von Mistuis halbwüchsigen Söhnen sei den Dänen in die Hände gefallen. Nun verlange Odinkar Harald Blauzahn im Austausch gegen Mistuis Sohn, und er habe angedroht, diesem für jeden Tag, um den der Obodritenkönig seine Entscheidung hinauszögere, einen Finger abschneiden zu lassen. Zwei Finger, wollte die Magd gehört haben, seien Mistui bereits überbracht worden.
    »Mistui wird ihn ausliefern, das steht außer Frage«, sagte Bue. »Wir müssen Harald in Sicherheit bringen, solange noch Zeit dafürist.« Er gab der Magd eine Goldmünze und versprach ihr eine weitere, wenn sie die Tür unverriegelt ließe. In ihren Augen lag ein ungläubiges Staunen, während sie die Münze in der Hand wog. Als sie gegangen war, öffnete Bue die Tür und verschwand für eine Weile.
    »Komm her, kleiner Mann.‹, sagte Harald. Björn setzte sich neben ihn. »Kennst du mich?«
    »Du bist König Harald, Gorms des Alten Sohn, Herr«, antwortete Björn.
    »Ich will dir etwas anvertrauen«, fuhr der König leise fort. »Ich bin aus Glas. Meine Beine sind aus Glas, meine Arme

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