Die Maenner vom Meer - Roman
reichhaltigen Abendessen zum Schlaf niederlegten, teilte Yrrjölä jedem eine Frau zu und empfahl, nach Kräften dafür zu sorgen, daß sich sein Stamm um eine Anzahl hellhäutiger Kinder vermehre. Bei der Zuteilung verfuhr Yrrjölä so, daß er die dicksten Frauen für Thormod und Hedin auswählte, während sich die Mannschaft mit weniger beleibten zufriedengebenmußte. Zu Björn kroch eine Frau unbestimmbaren Alters unter die Felldecke. Sie schnalzte nah an seinem Ohr, was unter den Terfinnen offenbar ein bewährtes Mittel war, die Männer in Erregung zu versetzen. Auf Björn jedoch verfehlte es seine Wirkung, denn der ranzige Trangeruch ihres Körpers unterdrückte in ihm jedes Lustgefühl. Aber spät in der Nacht wurde er durch ein Stöhnen geweckt und fand sich zu seiner Verwunderung auf der Frau liegen. Er sah in der fahlen Morgendämmerung ihr Gesicht; sie lächelte und schnalzte leise mit der Zunge.
Unter Thormods Männern galt es als ausgemacht, daß man den Winter über bei den Terfinnen bleiben würde. So gut wie hier, meinten sie, würden sie es während der kalten Jahreszeit nirgends finden, und für die meisten hatte der Gedanke an Heimkehr ohnehin nichts Verlockendes; es gab niemanden, der sie erwartete oder dem es gar Freude bereitet hätte, sie wiederzusehen. Thormod ließ sich jedoch nicht umstimmen. Als Yrrjölä eines Tages mit seinen Leuten das Lager verließ, um die Rentiere einzufangen, rief er seine Mannschaft zusammen und gab ihr seinen Entschluß bekannt, unverzüglich in See zu stechen.
Nun trat ihm Egbert entgegen, den die Männer zu ihrem Sprecher bestimmt hatten. Mit großer Beredsamkeit beschwor er Thormod, von seinem Vorhaben abzulassen; er verstieg sich sogar zu der Behauptung, ihm sei die Jungfrau Maria erschienen und habe ihn wissen lassen, daß sie allesamt umkommen würden, falls sie sich so kurz vor Anbruch des Winters auf das Meer hinauswagten.
Thormod hörte ihm geduldig zu. Als Egbert geendet hatte, sagte er, seine Götter hätten ihm, nachdem er sie auf altbewährte Weise befragt habe, das Gegenteil verkündet, und da nun Meinung gegen Meinung stehe, bleibe keine andere Wahl, als die Entscheidung durch einen Holmgang herbeizuführen. Als Kampfplatz schlug er eine flache, kaum einen Steinwurf vom Ufer entfernte Felsinsel vor.
Da blickte Egbert auf seine schmalen Hände und sagte: »Es hätte wenig Sinn, dafür erschlagen zu werden, daß du in den Augen der anderen recht bekommst.«
»Dann wollen wir nicht weiter darüber reden«, sagte Thormod.
Sie kreuzten vier Tage gegen den Wind, bis sich das Land an Backbord nach Westen bog. Vor der Küste stand eine hohe Dünung, so daß Hedin auf Thormods Geheiß weiter nach Norden hielt. Bald sahen sie sich nur noch von Meer umgeben. Regen setzte ein, der später in großflockigen Schnee überging. Die Männer drängten sich zitternd vor Kälte und naß bis auf die Haut im Windschatten des Schanzkleids.
Karhu war der erste, der voraus einen milchigen Schimmer am Horizont bemerkte. Er rief Hedin etwas zu, worauf dieser sogleich das Ruder herumwarf und nach Westen abfiel.
»Warum bleibst du nicht auf Kurs!« schrie ihn Thormod an.
»Willst du, daß dein Schiff vom Eis zermalmt wird?« erwiderte Hedin ruhig.
Jetzt spürten sie den frostigen Hauch der Eismasse, und der Wind trug ein dumpfes Knirschen an ihr Ohr. Der helle Widerschein des Eises dehnte sich aus und nahm die Form einer riesigen Kuppel aus blendend weißem Licht an.
Thormod stieg zu Hedin auf das Schanzdeck und legte ihm begütigend eine Hand auf die Schulter. »Wie weit, glaubst du, ist es entfernt?« fragte er.
»Nicht weit genug, daß es überflüssig wäre, Njörd um günstigen Wind zu bitten«, antwortete der Steuermann.
»Njörd ist ein launischer Gott«, sagte Thormod. »Nachdem er uns so lange wohlgesonnen war, könnte es ihm gefallen, uns diesmal übel mitzuspielen. Deshalb wird es das beste sein, wenn wir auf Südkurs gehen.«
So lenkte Hedin das Schiff nun auf die Küste zu. Als sie sich ihr näherten, sahen sie, daß sich mächtige Wellen an den Felsen brachen; Berge aus Schaum stiegen empor und sanken donnernd in sich zusammen. Karhu beschwor den Steuermann mit aufgeregten Gebärden, der Brandung nicht zu nahe zu kommen, aber Hedin behielt unbeirrt den Kurs bei.
Was nun geschehen sei, erzählte Björn später, könne er nicht inallen Einzelheiten wiedergeben, weil er in Erwartung des fürchterlichen, alles zerschmetternden Aufpralls die Augen
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