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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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geschlossen habe. Das Schiff sei mit atemberaubender Geschwindigkeit auf die Küste zugerast, auf beiden Seiten hätten sich schimmernde Wände aus Fels oder Wasser erhoben, voraus habe ihn der gähnende Schlund der Unterwelt angestarrt. Von diesem Augenblick an habe er nichts mehr gesehen, nichts mehr sehen wollen, er erinnere sich nur noch an ein ungeheures Getöse und daß ihn ein Wasserschwall auf das Deck warf und daß er ein Bein umklammert hielt und daß er das Bein nicht losließ, als er gegen den Mast und von dort gegen die Reling geschleudert wurde, und daß nach einem ohrenbetäubenden Krach unvermittelt Ruhe eingetreten sei. Diese Ruhe sei unbeschreiblich wohltuend gewesen; er habe eine Weile mit geschlossenen Augen dagelegen und darüber nachgedacht, ob es einem Toten erlaubt sei, die Augen zu öffnen. Doch dann habe er der Verlockung nicht widerstehen können, sich in Niflheim ein wenig umzuschauen.
    Das Schiff lag auf dem steinigen Grund eines Trichters, der, bis auf einen engen Spalt, ringsum von schwarzen Felswänden umgeben war. Zwischen den Rändern des Trichters war ein Stück grauen Himmels zu sehen. Björn richtete sich auf und bemerkte, daß es Bjarki Fleischsuppes Bein war, das er umklammert hielt. Bjarki blutete aus der Nase; er öffnete den Mund, und während ihm nun auch Blut über die Lippen rann, sagte er: »Wenn ich jemals erzählen werde, wie wir in dieses Loch gelangt sind, wird es mir wie mit meinen anderen Geschichten gehen: Niemand wird mir glauben.«
    Von den Männern hatte keiner die Strandung unversehrt überstanden; auch Thormod blutete aus klaffenden Wunden. »Wir brauchen uns jetzt nicht mehr darüber zu streiten, wo wir den Winter verbringen wollen«, sagte er griesgrämig. »Denn wenn ihr das Schiff anseht, wird euch auffallen, daß es zwar um einiges schmaler, aber darum nicht unbedingt seetüchtiger geworden ist.« Dann fuhr er Hedin heftig an: »Hättest du uns nicht an einer anderen Stelle an Land setzen können, du Tölpel!«
    »Sei froh, daß ich diese gefunden habe, sonst könntest du mich jetzt nicht beschimpfen«, erwiderte der Steuermann.
    Am Algenbewuchs einiger Steine war zu erkennen, daß das Meer bisweilen auch in den Trichter vordrang. Deshalb schleppten sie das arg beschädigte Schiff vor dem Dunkelwerden auf einen höhergelegenen Steinsockel, stützten es mit Planken ab und legten sich unter ihm schlafen. Dies war die erste von vielen Nächten, die sie in dem Felstrichter verbringen sollten.
    Am nächsten Morgen türmte sich grünlich schimmerndes Eis vor dem Spalt. Nun waren sie von allen Seiten eingeschlossen, und aus dem beklemmenden Gefühl, in einer Falle zu sitzen, wurde Angst. Es würde Monate dauern, bis das Eis den Durchlaß zum Meer wieder freigab, und obwohl sie nicht darüber sprachen, waren sie sich darin einig, daß keiner von ihnen diesen Tag erleben würde, wenn sie die Zeit mit untätigem Warten verbrachten.
    Gunne Seehundsfloh erbot sich freiwillig, die steile Felswand zu erklimmen. Er war im Klettern geübt, denn er stammte von einer Insel, deren Bewohner sich hauptsächlich von den Eiern der Seevögel ernährten. Er gelangte zu einem Absatz, der wie ein Sims aus hellerem Gestein aus dem schwarzen Fels hervorragte, aber angesichts der über ihm befindlichen, nach außen gewölbten Trichterwand verließ ihn der Mut. Nun versuchte Karhu sein Glück. Er kletterte an den Eisschollen empor, die sich in den Spalt geschoben hatten, stieg von dort auf den Fels über, schwang sich mit pendelnden Bewegungen von einem Vorsprung zum nächsten, flog schließlich, wie vom Aufwind erfaßt, über den Trichterrand und war den Blicken entschwunden.
    Während einige Männer schon die Vermutung äußerten, er sei meerwärts vom Felsen gestürzt, erschien Karhu auf der gegenüberliegenden Seite des Trichterrands und bat, ihm ein Tau zuzuwerfen.
    Als dies geschehen war, ließ Thormod eine Strickleiter anfertigen, auf der er selbst und die Männer nacheinander aus dem Trichter stiegen. Oben angelangt, sahen sie sich von einer Felswüste umgeben,die einem aufgepeitschten, zu Stein erstarrten Meer ähnelte. Zwischen schartigen Berggipfeln gähnten dunkle Abgründe; außer Flechten und Moos bot der Fels keinen Pflanzen Schutz und Nahrung. Eine lauernde Feindseligkeit haftete der felsigen Einöde an, und als sie in den Trichter zurückkehrten, sprach Torkel Hakenlachs aus, was alle dachten: »Heute morgen kam mir unser Loch viel ungemütlicher vor.«
    Thormod rief

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