Die Maenner vom Meer - Roman
fuhren sie, dem Verlauf der Küste folgend, nach Nordosten, und die ganze Zeit lag das öde Land an Steuerbord und die offene See an Backbord. Dann hatten sie jenen Punkt erreicht, von dem Karhu sagte, daß die Walfänger selten über ihn hinaus nach Norden führen. Von dort segelten sie drei weitere Tage, ohne nachts vor Anker zu gehen, bis sich die Küste nach Osten bog. Auf Karhus Rat warteten sie in Lee einer senkrecht aus dem Meer emporsteigenden Felswand nordwestlichen Wind ab und segelten dann ohne Unterbrechung vier Tage ostwärts am Land entlang. Nun bog die Küste nach Süden, und nach fünf Tagen gelangten sie an die Mündung eines breiten Flusses, dessen Wasser sich lehmig-trüb ins Meer ergoß. Mit günstigem Nordwind segelten sie ein Stück flußaufwärts, bis die Strömung so stark wurde, daß das Schiff kaum noch Fahrt machte.
Die ganze Zeit über hatten sie längs der Küste keine Anzeichen menschlicher Besiedlung entdeckt. Nun aber sahen sie beiderseits des Flusses bebautes Land. Dies sei das Gebiet der Bjarmen, sagteKarhu. Er riet jedoch davon ab, es zu betreten, bevor sie von den Bewohnern dazu aufgefordert worden seien. Zunächst gelte es, ihnen klarzumachen, daß man in friedlicher Absicht gekommen sei.
Karhu ließ sich von Thormod eine kleine Auswahl seiner Waren geben und legte sie auf einen flachen Stein am Ufer. Am nächsten Morgen waren sie verschwunden; statt dessen lagen einige Marder-und Otterfelle, ein Stück geräucherten Rentierfleisches sowie ein aus Walroßhaut gefertigtes Tau auf dem Stein. So ging es einige Tage weiter, ohne daß sie ihre Tauschpartner zu Gesicht bekamen. Als aber Thormod eines Abends eine Schwertklinge auf den Stein legte, zeigte sich am darauffolgenden Morgen eine Anzahl seltsam gekleideter Männer am Ufer, die wie plumpe Vögel aussahen, denn sowohl ihre Hüte wie auch ihre Mäntel waren mit bunten Federn gespickt. Einer gab durch Gebärden zu verstehen, daß sie mit den Fremden zu sprechen wünschten, woraufhin Thormod das Schiff näher an das Ufer rudern ließ.
Als Karhu eine Weile mit den Männern gesprochen hatte, übermittelte er Thormod ihre Einladung, mit ihnen ins Dorf zu kommen, wo man bereits Vorkehrungen für einen ehrenvollen Empfang getroffen habe. Ohne seine Stimme zu verändern, fügte er hinzu, daß dies zweifellos eine Falle sei, denn die Bjarmen seien als äußerst hinterlistig bekannt, und wenn jene dort auch keine Waffen trügen, so sei zu vermuten, daß sich ganz in der Nähe eine größere Anzahl bewaffneter Männer verberge.
»Ich wäre ein schlechter Händler, wenn ich einer List nicht eine bessere entgegenzusetzen wüßte«, schmunzelte Thormod. »Welcher von ihnen, glaubst du, ist der angesehenste?«
»Der, mit dem ich gesprochen habe«, antwortete Karhu.
Thormod belud nun drei seiner Männer mit allerlei wertlosem Tand und watete mit ihnen ans Ufer. Dort ließ er die Waren ausbreiten, und als sich die Bjarmen neugierig über sie beugten, packte er jenen, den Karhu als den angesehensten bezeichnet hatte, und brachte ihn, obwohl er sich heftig sträubte, an Bord. Die Männer waren kaum auf das Schiff zurückgekehrt, als ein Hagel von Pfeilenauf sie herniederprasselte. So schnell sie konnten, ruderten sie das Schiff auf den Strom hinaus, und nun sahen sie, daß Karhu recht gehabt hatte, denn hinter jedem Stein, der einem Mann Deckung bieten konnte, sprang ein Bogenschütze hervor und stürzte zum Ufer hinunter.
Thormod ließ das Schiff an einem Felsen vertäuen, der mitten im Fluß aus dem Wasser ragte. So brauchten sie nur das Tau zu kappen und sich von der Strömung auf das Meer hinaustreiben zu lassen, falls die Bjarmen versuchen sollten, mit Booten an sie heranzukommen.
Der Gefangene war weder durch Drohungen noch durch Schläge zum Reden zu bringen. Erst als Thormod ihm ein Ohr abschnitt, gab er sich als Priester und Häuptling zu erkennen. Nun setzte ein langwieriges Feilschen ein, das damit endete, daß Thormod den Gefangenen gegen drei Bärenfelle, fünfzehn Marderfelle und zwanzig Walroßzähne eintauschte. Dann nagelte er das Ohr an den Mast und meinte, er habe selten ein so gutes Geschäft gemacht.
Karhu drängte zum Aufbruch; nun, da sich der Priester und Häuptling in Sicherheit befinde, sei jederzeit mit einem Überfall zu rechnen. Wiederum sollte der Finne recht behalten: Als sich das Schiff der Flußmündung näherte, sahen sie sich plötzlich von kleinen, mit Häuten bespannten Booten umringt. Von allen Seiten
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