Die Maenner vom Meer - Roman
nicht glauben muß, daß du es warst: Gib mir einen Beweis deiner Aufrichtigkeit und sag mir, wer der Mittelsmann ist.«
»Ich weiß es nicht, Herr«, antwortete der Bischof mit mühsam beherrschter Stimme.
»War es mein Sohn?«
»Er kann es nicht gewesen sein, weil er heute zum ersten Mal im Lager war.«
»Dann werde ich mich wohl an den Gedanken gewöhnen müssen, daß du Naoise hießest, bevor du dich Poppo nanntest«, seufzte der König.
»Gib auf deine Worte acht, sonst wirst du einen Freund verlieren, Harald«, zischte der Bischof wütend. »Vermutlich den einzigen, den du hast.«
»Ein König hat keine Freunde«, erwiderte Harald. Er griff nachTryns Arm und zog sich an ihm empor, bis er, den Rücken gegen die Brust des Leibwächters gelehnt, auf seinen dürren Beinen stand.
»Das Reißen in meinen Gliedern sagt mir, daß es Tauwetter geben wird«, ächzte der König. »Nun wird es nicht mehr lange dauern, bis der Sachse mit seinem Heer anrückt. Wüßte ich nicht Männer wie Sigurd und Harek oder den tapferen Styrbjörn auf meiner Seite, ich wäre arg im Zweifel, ob ich mit einem Haufen schlecht bewaffneter Bauern gegen seine gepanzerten Ritter ins Feld ziehen soll.«
»Wenn du deinem Ratgeber das Wort zu ergreifen erlaubst«, vernahm man Bues des Dicken Fistelstimme, »so gebe ich zu bedenken, ob die Aussichten auf einen Sieg nicht dadurch geschmälert werden, daß du dem Kaiser die Entscheidung überläßt, wann und wo die Schlacht stattfinden soll.«
Nun sprang Harek auf und rief: »Darin gebe ich dem Feistling recht. Doch während er insgeheim an Rückzug denkt, rate ich zum Angriff! Laß uns noch in dieser Nacht aufbrechen und den Sachsen in seinem eigenen Lager überfallen! Bei Thor, es wäre das, womit er am wenigsten rechnet!«
»Noch hast du im Winter einen Bundesgenossen, gegen den auch seine Ritter machtlos sind«, pflichtete Sigurd seinem Bruder bei.
»Ein kühner Plan«, sagte der König, während seine Zunge den schwarzen Zahn umspielte. »Ich fürchte nur, daß jugendlicher Überschwang euch den Blick für die Tatsachen trübt. Seht euch die Männer an, die da draußen wie Maulwürfe in Erdlöchern hausen: Bereits auf halbem Wege wären die meisten verreckt.«
»Es sind etliche aus Tröndelag darunter, andere stammen von Vagar und Kirjalaland oder, wie wir, von den Schafsinseln, zähe Burschen allesamt und kampferprobt«, sagte Harek. »Überlaß es uns, Herr, sie auszuwählen und mit ihnen das Lager anzugreifen.«
»Keiner von euch käme wieder«, war nun Styrbjörns Stimme zu hören. »Und der König wäre seiner besten Männer beraubt.«
»War es Styrbjörn, der da sprach?« fragte Harek verwundert. »Styrbjörn, der letzte Jomswikinger, der Seite an Seite mit ErikBlutaxt gegen König Eadred kämpfte, der mit Herzog Richard die Franken besiegte, der mit einer Handvoll Männer achtzehn Städte in Asturien eroberte? Von diesem Styrbjörn hätten wir erwartet, daß er uns anspornt, statt uns ein schlimmes Ende vorauszusagen.«
»Mit Kühnheit allein vollbringt man selten große Taten«, entgegnete Styrbjörn. »Es gehört auch Verstand dazu, und dieser sagt mir, daß euer Vorhaben scheitern muß.«
»Da hört ihr es«, sagte der König. »Beherzigt also die Warnung eines erfahrenen Mannes und zügelt euren Tatendrang. Du aber, Styrbjörn, befrage deinen Verstand, was er mir zu tun rät.«
»Zieh dich nach Norden zurück, Harald«, antwortete der Jomswikinger. »Stell dort ein neues Heer auf, laß Schiffe und Festungen bauen und warte ab, was geschieht.«
»Das ist nicht schwer zu erraten«, mischte sich nun der bislang schweigsame Wichmann in das Gespräch. »Der Kaiser wird das Land bis zum Danewerk und die Stadt seinem Reich einverleiben, und wer den Sachsen kennt, weiß, daß er ungern wieder hergibt, was er einmal in Besitz genommen hat.«
»Es ist gut, daß du dich zu Wort meldest«, sagte der König und spähte aus zusammengekniffenen Augen in das Dunkel, das Wichmann verbarg. »Sonst hätte ich womöglich versäumt, dich um Rat zu fragen.«
»Unter den Städten deines Landes ist keine, die sich mit dieser vergleichen kann, Herr«, antwortete Wichmann. »Was bleibt dir außer Wald und unfruchtbarer Heide, wenn du sie aufgibst? Und wenn es dahin kommen sollte: Willst du dir nachsagen lassen, du hättest sie kampflos preisgegeben?«
»Wäre es nicht Torheit, sich einem weit überlegenen Gegner zu stellen? Soll ich in eine Schlacht gehen, die schon verloren ist, bevor sie
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