Die Maenner vom Meer - Roman
namens Tosti, der zwar nur ein Auge besaß, dafür aber eine um so empfindsamere Nase.«
»Was sagt dir Bues Geruch?«
Björn beugte sich vor und sog die Dünste ein, die Bues Fleischmassen verströmten. »Er riecht nach Geld«, entgegnete er, »nach Münzen, die durch vieler Menschen Hände gegangen sind. Mit anderen Worten: Er stinkt ein wenig. Dies mag jedoch auch so zu erklären sein, daß der Eifer, dir mit seinem Rat zu dienen, ihn seit längerem daran gehindert hat, ein Bad zu nehmen.« Aufblickend sah er, wie die Angst aus Bues Schweinsäuglein wich.
Der König entblößte schmunzelnd seinen Zahn. »Noch weiß ich nicht, ob du mehr bist als ein unterhaltsamer Aufschneider, Björn Bosison«, sagte er. »Aber ich werde schon noch dahinterkommen.«
Spät in der Nacht ließ der König Björn zu sich rufen. Der fand ihn in seiner Kammer auf einem Strohsack liegend. Durch die Ritzen in der Wand fauchte der Wind, und an den Balken der niedrigen Decke hingen Eiszapfen. Neben Haralds Kopf flackerte eine Kerze, doch sie beleuchtete nur eine Seite seines Gesichts, während die andere im Dunkel lag.
Da der König schwieg, auch durch keine Gebärde zu erkennen gab, daß er seine Anwesenheit bemerkt hatte, wandte sich Björn seinem Bruder zu, der breitbeinig in der Tür stand, die Augen beiderseits des Lederbeutels auf seinen Herrn gerichtet.
»Was will der König von mir?« flüsterte er.
Ohne seinen Kopf zu bewegen, schwenkte Tryns Blick langsamhoch und heftete sich auf Björns Stirn. In diesem Augenblick wurde Björn bewußt, daß er für Tryn ein Fremder war. Wie eine lästige Erinnerung hatte dieser ihn aus seinem Gedächtnis getilgt.
»Höre, Björn Bosison«, ließ sich nun der König vernehmen, »du bist ein freier Mann, hast Frau und Kinder, und wie man mir berichtet hat, bist du reicher, als man es von einem Mann deines Standes annehmen sollte. Es steht demnach zu befürchten, daß du die Ehre nicht zu schätzen weißt, wenn ich dir anbiete, in meinen Dienst zu treten. Nein, unterbrich mich nicht, ich habe noch nicht zu Ende gesprochen!« Er wischte sich mit zittriger Hand den Speichel vom Kinn und fuhr fort: »Mehr als alles andere unterscheidet uns, daß dir das Glück treu geblieben ist, während es mich, aus welchen Gründen auch immer, verlassen hat. Wüßte ich dich aber in meiner Nähe, könnte ich hoffen, daß ich auch deines Glückes teilhaftig würde.«
»Darf ich jetzt antworten, Herr?« fragte Björn beklommen.
»Bedenke zuvor noch zweierlei, Björn Bosison«, sagte der König. »Zum einen bin ich, obwohl alt und krank, noch nicht am Ende meiner Tage angelangt; manches steht mir noch zu tun bevor, dessen man mich später rühmen wird. Zum anderen bin ich dein König und als solcher nicht gewohnt, eine abschlägige Antwort zu erhalten.«
»Auch Thormod vertraute darauf, daß ich ihm Glück bringen würde«, wandte Björn ein. »Doch wie du aus meiner Erzählung weißt, verlor er alles.«
»Das Glück mag die Dummen nicht, und Thormod war ein ausnehmend törichter Mann«, entgegnete der König ungehalten. »Aber daß ich dumm sei, behauptet nicht einmal mein Sohn. Im übrigen verdrießt es mich, daß du nach Ausflüchten suchst.«
»Gibst du mir Bedenkzeit, Herr?«
»Ich werde jetzt ein Weilchen schlafen«, sagte der König. »Wenn ich erwache, will ich deine Antwort hören.« Damit schloß er die Augen.
3
THORULF HIESS EIN MANN. Er war der Sohn Önunds des Schiefmäuligen, der ein Ziehbruder Eriks des Roten war und diesem später nach Grönland folgte. Thorulfs Hof lag auf einer Lichtung unweit des Weges, der seit altersher Jütland mit den Ländern im Süden verband.
Thorulf war ein wohlhabender Mann, und er war nicht wenig stolz darauf, daß er alles, was er besaß, seinem unermüdlichen Fleiß verdankte. Aus Freude über den mit eigenen Händen erworbenen Besitz trank er gelegentlich etwas mehr, als ihm zuträglich war, und wenn sich seine Trunkenheit auch nicht darin äußerte, daß er schwankte oder mit schwerer Zunge sprach, so doch in prahlerischem Reden, dessen er sich nüchternen Sinnes geschämt hätte. Nun wollte es der Zufall, daß Thorulf nach getaner Arbeit wieder einmal dem selbstgebrauten Bier zugesprochen hatte, als er einige Männer auf der Straße vorüberreiten sah. Vermutlich hätten diese den Hof nicht bemerkt, wäre Thorulf nicht von dem Verlangen ergriffen worden, mit den Reitern ins Gespräch zu kommen. So begann er, laut zu rufen und mit den Armen zu fuchteln,
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