Die Maenner vom Meer - Roman
von seinen Lippen und verpuffte zischend im Feuer. Er beugte sich nach vorn, er schlug die knotigen Hände vor sein Gesicht, er weinte. Die Männer blickten einander betreten an, einige reckten ihre Köpfe in den Rauch empor, damit man nicht von ihren Mienen ablesen konnte, wie sehr sie den König verachteten.
Poppo streckte eine Hand nach der Schulter des Königs aus, aber Tryn stieß sie mit der Axt beiseite. »Ich werde Gott um einZeichen bitten, Herr«, sagte der Bischof sanft und bedachte Tryn zugleich mit einem strafenden Blick.
Nun richtete sich Harald wieder auf, sah Björn an und sagte: »Wie war dein Name, Geschichtenerzähler?«
»Björn Bosison, Herr«, antwortete Björn.
»Erzähle, Björn Bosison«, sagte der König. »Aber merke dir, daß ich nur Geschichten mit gutem Ausgang mag. Und erzähle sie so, daß man glauben könnte, du hättest alles selbst erlebt.«
»Er hat so viel erlebt, daß er es nicht nötig hat, anderer Leute Geschichten zu erzählen, Herr«, warf Poppo ein.
»Dann laß hören«, sagte Harald Blauzahn.
Björn tat sich anfangs schwer, die rechten Worte zu finden; mehrfach geriet er ins Stocken, so daß die Aufmerksamkeit des Königs zu erlahmen begann, doch allmählich kam Leben in seine Erzählung. Als Björn endete, war es draußen finstere Nacht, und nicht ein einziges Mal hatte der König nach der Specksteinschüssel verlangt, in die er sonst nach jedem Becher Bier sein Wasser abzuschlagen pflegte.
»Seht ihn euch an«, sagte Harald und richtete einen seiner verkrüppelten Finger auf Björn. »Seht euch diesen Mann an, der klein ist und schmächtig und seinem Aussehen nach alles andere als ein Held: Er ist der lebende Beweis, daß Kraft, Mut und Erfahrung, gepaart mit Klugheit und List - daß all dies wenig wiegt gegenüber dem Glück.« Nun wandte er sich an Björn und fragte: »Wie erklärst du es dir, kleiner Mann, daß das Glück dir in allen Widrigkeiten treu blieb?«
Björn dachte eine Weile nach, bevor er antwortete: »Mir scheint, Herr, daß es dafür keine Erklärung gibt. Es verlangt mich auch nicht, eine zu finden, denn ich fürchte, das Glück könnte sich von mir abwenden, wenn ich anfange, mir darüber Gedanken zu machen.« Aus den Augenwinkeln sah er, wie Poppo beifällig nickte.
»Gebt ihm zu trinken«, sagte der König. »Es tut gut, einen glücklichen Menschen in der Nähe zu haben, wo das Unglück mich von allen Seiten bedrängt.« Er stand ächzend auf und pißte in eineSchüssel, die ihm ein Sklave unter das runzlige Glied hielt. »Bosi ist ein seltener Name«, fuhr er fort. »Habt ihr denselben Vater, mein Beschützer und du?«
»Tryn ist mein Bruder«, bestätigte Björn. »Aber was ist mit seiner Nase geschehen?«
»Ich hätte ermordet werden können, weil er, statt an meinem Bett zu wachen, bei den Mägden lag«, antwortete Harald. »Da habe ich ihn vor die Wahl gestellt, ob man ihm zur Strafe die Nase oder den Schwanz abschneiden solle. Er entschied sich für die Nase.«
Sich umwendend begegnete Björn Tryns Blick. Seine Augen waren leer und teilnahmslos; in seinen Pupillen spiegelten sich die Flammen.
»Würde er dich töten, wenn ich es ihm befehle, was glaubst du?« fragte der König leise.
»Ohne mit der Wimper zu zucken«, entgegnete Björn.
»Das höre ich gern«, sagte Harald. »Ich mag keine Leute um mich haben, die einander mehr zugetan sind als mir.« Er lehnte sich zurück und schloß die Augen. Die Männer rings an den Wänden senkten die Stimmen, steckten tuschelnd die Köpfe zusammen, und als Tryn Holz nachlegen ließ, damit er die Gefolgsleute des Königs besser im Auge behalten konnte, war nur noch das Prasseln des Feuers zu hören.
Poppo beugte sich zum König und flüsterte: »Schläfst du, Herr?« Harald antwortete nicht, wandte ihm aber sein Ohr zu. »Ich habe Nachrichten bekommen, daß der Kaiser einige deiner Gefolgsleute bestochen hat.«
»Ihre Namen?« murmelte Harald.
»Die kenne ich nicht«, antwortete der Bischof. »Aber ich weiß, daß sie dir einreden sollen, dein Heer sei dem des Kaisers gewachsen, wenn nicht gar überlegen.«
Nun öffnete der König ein Auge und sagte mit gedämpfter Stimme: »Da meines Wissens keiner von ihnen das Lager verlassen hat, kann der Sachse sie nur durch einen Mittelsmann bestochen haben. Wer außer dir geht in meinem Lager ein und aus, Poppo?«
»Dein Mißtrauen kränkt mich, Harald«, entgegnete der Bischof, und seine Miene ließ keinen Zweifel, daß dies der Wahrheit
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