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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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meine Augäpfel wurden so fest gepreßt, daß ich richtiges Schneegestöber sah. Wenn Houdini sich fesseln 380
    ließ, spannte er all seine Muskeln so fest an, wie er konnte, damit er, wenn er die Muskeln entspannte, etwas Spielraum hatte. Als sie mir die Augen verbanden,
    spannte ich die Wangenmuskulatur an, um später etwas Spiel zu haben. Es funktionierte nicht.
    Sie legten mir wieder die Handschellen an, schön fest.
    Meine Hände waren sehr empfindlich, und die
    Schmerzen waren unerträglich. Blöderweise holte ich tief Luft und biß die Zähne zusammen, als die Fesseln sich ins Fleisch bohrten, weil ich mir nicht anmerken lassen wollte, wie weh es tat. Die ganze Zeit über hatte ich meine Verletzungen gezielt ausgespielt, und indem ich nun versuchte, keinen Schmerz zu zeigen, verhielt ich mich wieder mal zu meinem eigenen Nachteil.
    Wir saßen da und warteten. Ich lauschte auf das
    Leerlaufgeräusch des Motors und fragte mich, wohin es jetzt gehen sollte. Hatten wir sie überzeugt, daß wir bloß kleine Rädchen im Getriebe waren und daß es sich nicht lohnte, noch mehr Arbeitskraft für uns zu vergeuden?
    Brachten sie uns nun in ein Gefängnis, wo wir halbwegs bequem das Ende des Krieges abwarten konnten?
    Ich wurde von einem Mann aus meinen Gedanken
    gerissen, der wohl zu den Wachleuten gehörte. Genau in dem Moment, als der Fahrer die Kupplung trat und den ersten Gang einlegte, steckte er den Kopf durchs offene Fenster und sagte leise: »Wer immer euer Gott ist, ihr werdet ihn sehr bald brauchen.« Ich wußte nicht, ob er es aus Mitleid sagte oder aus einer zynischen Laune heraus, um uns in Panik zu versetzen. Doch es traf mich tief.
    Mein ganzer Körper sackte in sich zusammen, als hätte 381
    ich gerade erfahren, daß mein Vater gestorben wäre. Es war ein echter Schock. Die Dinge hatten sich ganz positiv entwickelt, und jetzt das.
    Wer immer euer Gott ist, ihr werdet ihn sehr bald brauchen.
    In seiner Stimme lag eine Aufrichtigkeit, die mich beängstigte. Ich dachte: Es kommt also noch schlimmer.
    Das Schlimme war nicht die Erwähnung Gottes, sondern daß in der Stimme des Wachmanns so viel Besorgnis lag, als ob Gott allein uns jetzt noch helfen konnte. Hieß das, man würde uns exekutieren? Ich hoffte nur, sie würden es an die Öffentlichkeit bringen und daß man es zu Hause erfuhr. Und wenn sie uns folterten? Ich mußte denken: Jetzt ist es soweit; jetzt hacken die uns die Eier ab, dann die Ohren, Finger und Zehen, ganz langsam und
    genüßlich. Doch der Optimist in mir kämpfte dagegen an und sagte: Nein, das riskieren die nicht, die können sich doch denken, daß sie den Krieg verlieren, die wollen sich ein Kriegsverbrechertribunal à la Nürnberg ersparen.
    Falls der gewünschte Effekt nur der gewesen war, mir die Stimmung zu versauen, dann war es ihm gelungen –
    und wie.

    Wir fuhren etwa 15 Minuten in strahlendem
    Sonnenschein. Offenbar blieben wir in der Stadt, denn wir bogen recht häufig um Ecken, und der Straßenlärm ebbte nicht ab. Menschen schrien durcheinander,
    Autofahrer drückten permanent auf die Hupe.
    Nach einer Weile kurbelten die Burschen vorn im
    Wagen die Seitenfenster runter. Es war schön, die kühle 382
    Brise auf der Haut zu spüren. Ich hielt mein Gesicht in den Fahrtwind, bis es weh tat. Das lenkte mich von meinen Händen ab. Ich hatte eine Technik entwickelt, um den Druck von den Handschellen zu nehmen: Ich beugte mich vor und hielt den Rücken gerade. Das Problem war nur, daß die Wachen jedesmal, wenn ich mich bewegte, dachten, ich wollte versuchen abzuhauen, und mich
    zurückstießen.
    Ich merkte, daß wir am Ziel waren. Tore wurden
    geöffnet, und wir fuhren noch ein paar hundert Meter über einen anderen Belag. Wütende Stimmen erklangen um den Wagen. Es gab also ein Empfangskomitee.
    Sobald der Transporter hielt, wurden die Türen
    aufgerissen.
    Hände packten mich an Haaren und Gesicht und zogen mich auf der Seite heraus. Im Handumdrehen war ich draußen und lag der Länge nach auf dem Boden. Man
    hatte uns zwar schon schlimmer verprügelt – Schläge, an den Haaren ziehen, Faustschläge in die Seite, die übliche Tortur –, aber das hier war ein riesengroßer Schock. Sie lachten und spuckten, und ich hielt den Kopf nach unten, biß die Zähne zusammen und ließ sie einfach gewähren.
    Sie sollten ihren Spaß haben.
    Nach ein paar Minuten rissen sie mich hoch und
    schleppten mich weg. Meine Beine spielten nicht mehr mit, und ich stolperte und strauchelte. Sie

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