Die Männer von Bravo Two Zero
einem
Bürogebäude.
Nach etwa einer Stunde hörte ich erneut Schritte, doch sie waren unregelmäßiger und schlurfender als die
anderen. Bald darauf hörte ich schweres Atmen. Ein Wachmann nahm mir die Augenbinde ab, und ich sah ihn weggehen. Der Korridor war knapp zweieinhalb Meter breit und 30 bis 40 Meter lang, die Wände waren
gekachelt, und zirka alle vier Meter war eine Tür. Rechts von mir gingen zwei weitere Flure ab. Es war dunkel.
Am anderen Ende des Gebäudes, dort, wo der zweite Flur den Gang kreuzte, brannte eine Gaslampe.
Ich blickte nach links und sah Dinger. Er grinste übers ganze Gesicht.
»Öfter hier, Alter?« sagte er.
Der Wachmann kam mit unseren Stiefeln wieder und
ging zu seinen Kumpeln, die ein paar Meter entfernt saßen und uns bewachten.
»Moslem, Christ oder Jude?« sagte einer von ihnen.
»Christen«, sagte ich. »Engländer. Christen.«
»Nicht Jude?«
»Nein, Christen, Christen.«
»Nicht Tel Aviv?«
»Nein, nicht Tel Aviv. Engländer. Großbritannien.«
Er nickte und wandte sich seinen Kumpeln zu.
»Mein Freund hier«, sagte er, »ist Christ. Moslems und Christen sind okay im Irak. Wir leben zusammen. Keine 370
Juden. Juden sind schlecht. Du bist Jude.«
»Nein. Ich bin Christ.«
»Nein, du bist Jude. Tel Aviv. Tel Aviv nicht gut. Wir wollen keine Juden. Wir töten Juden. Warum ihr
kommen in unser Land? Wir nicht wollen Krieg. Krieg ist euer Problem.«
Er unterhielt sich bloß recht nüchtern mit uns und war anscheinend ganz vernünftig. Im Irak leben viele
Christen, insbesondere in der Gegend von Basra.
»Wir sind keine Juden, wir sind Christen«, sagte ich wieder.
»Flugzeugcrew?«
»Nicht Flugzeugcrew. Rettungsteam.«
Wenn er gewollt hätte, daß wir Muslime sind oder
Angehörige der Kirche Des Dritten Mondes Rechts, wir waren es gewesen. Ich nickte und stimmte ihm in allem zu, nur nicht darin, daß wir Juden waren. Es war früh am Morgen, und wir konnten förmlich spüren, was die
Wachen für eine Haltung hatten. »Wir stecken in der Scheiße, ihr steckt in der Scheiße, wir müssen auf euch aufpassen, also bringen wir es einfach ohne Probleme über die Bühne.«
Dinger rieb sich die Füße.
»Darf ich ihm helfen?« sagte ich.
Sie gaben mir einen Wink mit der Hand, der soviel
sagte wie, mach, was du willst.
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Dinger und ich beugten uns vor, um seine Füße zu
untersuchen.
»Bob?« flüsterte ich ihm ins Ohr.
»Weiß nicht.«
»Legs?«
»Wahrscheinlich tot. Was ist mit Mark?«
»Tot. Wann haben sie dich geschnappt?«
»Morgens. Ich habe gehört, wie sie dich am
Nachmittag reingebracht haben.«
»Bist du okay?« sagte ich. Wie konnte ich bloß so eine dämliche Frage stellen? So ein Schwachsinn.
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Er betrachtete mich mit einem Blick, der sagte: Du Arschloch!
Die Wachen merkten, daß wir miteinander sprachen,
und einer von ihnen kam herüber, um uns zum
Schweigen zu bringen. Dinger bat ihn um eine Zigarette.
Der Wachmann sprach ziemlich gut Englisch, doch
Dinger sagte: »Zi-ga-ret-te?«, als spräche er mit einem Irren, und machte dabei Bewegungen wie beim Rauchen.
Es brachte ihm nichts ein.
Wir wußten beide nun ein kleines bißchen mehr. Ich wußte, daß Legs wahrscheinlich tot war. Ich wußte noch immer nicht, was mit Bob war. Wir saßen etwa eine
Stunde da, konnten jedoch nicht mehr miteinander
sprechen.
Mein ganzer Körper tat weh, und ich wurde schläfrig.
Wenn du geschlagen wirst, ist der Körper wie überdreht, aber sobald eine Ruhephase eintritt, werden die
Schmerzen schlimmer, weil du dich voll darauf
konzentrieren kannst. Das Gefühl kannte ich aus meiner Schulzeit. Wenn man sich als Kind prügelt, ist man total aufgedreht und spürt zuerst nicht viel. Erst ein paar Stunden später tut es weh. Meine Lippen bluteten noch immer. Mein Mund war bei den Prügeleien an mehreren Stellen aufgeplatzt, und das Blut konnte nicht gerinnen, weil sich die Wunden bei der geringsten Bewegung
wieder öffneten. Der Hintern und das Kreuz waren vom stundenlangen Sitzen auf dem harten Beton wund. Die Verletzungen machten mich noch müder, und ich wollte schlafen. Ich nickte ein, den Kopf schlaff auf der Brust, dann schreckte ich ein oder zwei Minuten später wieder 373
hoch. So ging das etwa eine halbe Stunde. Dann lehnten Dinger und ich uns aneinander und dösten ein.
Türenschlagen und Stimmengeräusche weckten uns.
Das Licht einer Gaslampe tauchte am Ende des Korridors auf und wurde größer und größer. Schließlich war
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