Die Männer von Bravo Two Zero
Mit diesen
unmöglichen Frisuren beteten sie nun vermutlich
verzweifelt darum, daß der Krieg lange genug dauerte, bis ihnen wieder eine richtige Matte gewachsen war.
An einem Tag bekamen wir alle eine sehr
unangenehme Spritze gegen einen der biologischen
Kampfstoffe verpaßt, deren Einsatz Saddam Hussein
angeblich plante. Eigentlich hätten wir nach zwei Tagen eine weitere bekommen sollen, aber die Mehrheit hatte von der ersten Injektion schon die Nase voll. Die
Wirkung war ziemlich fürchterlich; der Arm schwoll an wie ein Ballon, und so verzichteten wir auf den zweiten Schuß.
Am 18. Januar sagte man uns, wir würden auf einen
Flughafen verlegt, von wo aus wir zu unseren
verschiedenen Operationen starten würden. Wir checkten unsere persönlichen Dinge, damit nichts Peinliches oder Pornographisches dabei war, falls unsere Habe an die Angehörigen zurückgeschickt wurde. Auch die Kumpel in der Regimentsabteilung sorgten immer dafür, daß keine peinlichen Sachen an die Öffentlichkeit drangen.
Damit es für die Familie nicht allzu schmerzlich wird, packt man gewöhnlich die militärische Ausrüstung in 86
eine Tasche, die persönlichen Dinge in eine andere, klebt ein Etikett darauf und gibt es dem Quartiermeister des Truppenteils.
Wir wurden mit einer C130 vom Stützpunkt verlegt,
die randvoll mit Landrovern und Ausrüstung war. Es war ein taktischer Tiefflug, obwohl wir uns noch in
saudiarabischem Luftraum befanden. Zum Reden war es viel zu laut. Ich setzte ein paar Ohrenschützer auf und hielt den Kopf zwischen den Händen. Es war
stockdunkel, als wir auf dem großen Flugfeld der
Alliierten landeten und die Fracht ausluden. Es herrschte ohrenbetäubender, unausgesetzter Lärm. Auf der hell erleuchteten Rollbahn landeten und starteten
ununterbrochen Maschinen, von den kleinen
Aufklärungsflugzeugen bis zu A10-Jets.
Wir befanden uns hier viel näher an der irakischen Grenze, und mir fiel auf, daß es erheblich kühler war, als wir es bislang gewohnt waren. Man brauchte selbst beim Ausladen einen Pullover oder ein dickes Hemd, um
ausreichend warm zu bleiben. Wir legten unsere
Schlafsäcke ins Gras und machten uns einen Tee.
Ich lag auf dem Rücken und blickte hoch zu den
Sternen. Da hörte ich ein Geräusch, das wie leiser, ferner Donner klang, aber dann so anschwoll, daß es den ganzen Himmel auszufüllen schien. Eine Gruppe B52-Bomber
nach der anderen überflog uns auf dem Weg in den Irak.
Überall sah man nur noch Bomber. Es wirkte wie eine Szene aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Panzer standen in Reih und Glied, und alle paar Minuten landeten Jets zum Auftanken. Mehrere Minuten lang erdröhnte der Himmel.
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Die gewaltigste Luftstreitmacht beherrschte den Himmel und ließ alles vor Hitze flimmern – und wir Idioten hier unten im Gras kochten uns einen Tee. Uns wurde klar, wie selbstbezogen und blind wir gewesen waren, so
ausschließlich an die eigenen Vorbereitungen zu denken und nicht an den Krieg. Jetzt erkannten wir: Am
Golfkrieg war nicht nur eine Handvoll von Männern
beteiligt, die eine begrenzte Aufgabe zu erledigen hatten.
Es war vielmehr ein verdammt großes Ereignis. Wir
warteten eigentlich nur noch auf das Auftanken, ehe wir zu unserem Einsatz in diesem Wüstensturm aufbrachen.
Kurz vor dem Morgengrauen begannen die Sirenen zu
heulen, und alle rannten in die verschiedensten
Richtungen. Keiner hatte die geringste Ahnung, was los war, und so blieben wir in unseren Schlafsäcken.
»In die Unterstände!« brüllte jemand, aber es war so schön warm, wo wir lagen. Niemand rührte sich, und das war auch in Ordnung. Wenn jemand uns wissen lassen wollte, was los war, würde man es uns sagen. Schließlich schrie jemand: »Scud!«, und da sprangen wir auf. Als wir gerade auf den Füßen standen, lautete der Befehl, sich hinzuwerfen.
Später ließ man uns wissen, in dieser Nacht solle es losgehen. Wir waren ziemlich erleichtert. Wir waren nur mit den paar Sachen am Leib auf diesen Flughafen
gekommen.
Am Nachmittag erteilte ich die offiziellen Befehle an alle, die an unserem Einsatz beteiligt waren – alle Mitglieder des Stoßtrupps, den kommandierenden
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Offizier der Abteilung und den OPS-Offizier, der die Operation überwachte.
Nachdem ich die Befehle mündlich erteilt hatte,
wurden sie schriftlich ans Kommandozentrum
weitergeleitet. Dort würden sie bleiben, bis der Auftrag erledigt war, so daß jeder wußte, was ursprünglich geplant war, falls etwas schiefging.
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