Die Männer von Bravo Two Zero
seit 30 Jahren in dieser Gegend gewesen war.
Sogar der Dieselkraftstoff fror in den Tanks.
Wir konnten uns nicht aufsetzen, weil wir dann gegen den Horizont zu sehen sein würden. Wir mußten uns
unterhalb der Mauerkrone halten. Doch da der Feind von unten heraufblicken würde, bildete dieser kleine
Steinwall genügend Schutz, solange wir uns still
verhielten und liegen blieben.
Um 11 Uhr wurde die Situation immer verzweifelter.
Wir lagen zusammengerollt und eng beieinander,
zitterten krampfhaft, murmelten uns gegenseitig
Ermutigung zu und rissen dumme Witze. Meine Hände
waren taub und starr und schmerzten. Wir waren bereits von einem kleinen Schneehügel bedeckt. Jetzt ging es nicht mehr um irgendwelche Taktiken, sondern ums
nackte, verfluchte Überleben. Wir standen vor der
Entscheidung, die Dienstanweisungen zu brechen und entdeckt zu werden, oder draufzugehen, weil sich unser Zustand ständig verschlechterte. Ich beschloß, die Regeln zu ignorieren und Tee zu machen.
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Ich kratzte eine kleine Senke in den Boden und
zündete einen Hexy-Block an. Dann füllte ich einen Becher mit Wasser und hielt ihn über die Flamme. Die Wärme an Gesicht und Händen war wunderbar. Den
Rauch und den Dampf wedelte ich fort. Dann kippte ich Kaffeepulver, Zucker und Milchpulver dazu und reichte den Becher herum.
Sofort anschließend machte ich einen heißen Kakao.
»Sieh dir diesen Dampf an«, meinte Dinger. »Da kann ich mir ebensogut eine anstecken.«
Es sah jämmerlich aus, wie er versuchte, sich die
Zigarette anzuzünden. Seine Hände zitterten so stark, daß er den Glimmstengel nicht in den Mund stecken konnte, und als es ihm endlich gelang, war er durchweicht, weil seine Hände naß gewesen waren. Doch er machte
unbeirrt weiter und zog fünf Minuten später sehr
zufrieden daran. Den Rauch blies er sich ins Hemd, damit er nicht aufstieg.
Als der Kakao herumgereicht wurde, schwätzten alle schon wieder. Das heiße Getränk brachte die
Körpertemperatur zwar nicht viel höher, aber es war immer noch besser, als draufzugehen. Ohne Zweifel
rettete es uns das Leben.
Gegen Mittag fuhren immer noch viele Fahrzeuge
vorbei. Wir konnten sie nicht immer sehen, aber das war egal. Wir würden sie aber hören, wenn sie stehenblieben.
Wir wechselten uns ständig ab, so daß diejenigen auf der Außenseite auch mal von den anderen umringt und
gewärmt wurden. Unsere Körpertemperatur sank weiter ab, und ich merkte, wie undeutlich ich sprach und daß 189
mir schwindlig wurde. Ich litt an Unterkühlung ersten Grades.
Um etwa 14 Uhr spürte Mark, daß es ihm miserabel
ging. »Wir müssen weg«, murmelte er. »Ich verrecke hier.«
Er hatte weniger an als wir anderen. Am Oberkörper trug er nur sein Hemd, den Überzieher und den Pullover, und das war alles durchnäßt. Wir nahmen ihn in die Mitte und versuchten, ihn aufzuwärmen. Es stand eine
Entscheidung an, und die mußte gemeinsam getroffen werden, denn es ging um jeden einzelnen. Sollten wir am hellichten Tage losziehen, damit Mark überlebte,
zugleich aber eine Entdeckung riskieren? Es würde noch stundenlang hell sein, und wir wußten nicht, was uns hier erwartete. Oder warteten wir bis zum allerletzten
Moment, wenn er glaubte, er könne nicht mehr?
Ich redete ihm gut zu, auszuhalten. »Wenn wir in einer halben Stunde weiter müssen, okay, aber wir sollten versuchen, so lange wie möglich hier zu bleiben.«
Wenn er den Kopf geschüttelt und gesagt hätte, nein, er müsse jetzt los, wäre ich ohne zu zögern aufgestanden.
Aber er nickte.
Als weitere zwei Stunden verstrichen waren, brauchte nicht nur Mark Hilfe. Wir waren alle in einem
deprimierend schlechten Zustand. Wenn wir hier blieben, würden wir am Abend alle tot sein.
Ich spähte über die Mauer. Noch anderthalb Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit. Die Wolkendecke und der Schnee würden es eher dämmerig erscheinen lassen.
Es schneite immer noch heftig, und ich konnte nichts 190
hören oder sehen, abgesehen von der typisch kahlen Wüstenlandschaft, die aber unter einer dichten
Schneedecke lag.
»Los geht’s«, sagte ich.
Wir überlegten uns, wie wir die Spuren im Schnee
verwischen konnten. Im Laufe der Nacht würde es
hoffentlich weiter schneien oder regnen und alles
auslöschen. Wir wandten uns daher nach Osten, machten eine Schleife und richteten uns dann nach Nordwesten.
Dieser Ablenkungsplan erwies sich als vorzüglich, denn wir waren kaum einen Kilometer von dem Lager
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