Die Männer von Bravo Two Zero
wunderbar: Zumindest schlugen sie mich nicht und hielten mir nicht die Verluste vor, die sie während der Gefechte mit unserem Trupp erlitten hatten.
Wieder gab es viele Pausen, und ständig bekam ich zu hören: »Andy, du hilfst uns nicht. Du mußt wissen, wie viele Flugzeuge hier sind.«
Ich war hundemüde. Ich hatte kaum schlafen können, und ich war hungrig und durstig. Ich lechzte nach etwas zu trinken.
Bei Tagesanbruch traten die Wachen mit dem üblichen beängstigenden Getöse die Tür auf und brachten mir einen Krug Wasser. Es war eine eklige Brühe, die aussah, als käme sie aus der Kanalisation, aber es störte mich nicht sonderlich. Es war naß. Und selbst wenn ich davon krank wurde, ich tat etwas gegen das Austrocknen - falls es mir nicht wieder hochkam.
Sie wollten den Krug wieder mitnehmen, deshalb sollte ich alles in einem Zug austrinken. Sie nahmen mir zum erstenmal seit dem ersten Verhör die Augenbinde und die Handschellen ab und standen über mir, während ich auf dem Boden saß und den Krug mit beiden Händen umfaßte.
Ich trank einen Schluck. Meine abgebrochenen Zähne schmerzten ungeheuer, als das kalte Wasser auf die Stummel traf. Ich blickte an den Beinen der Wachen vorbei hinaus auf den Gang und sah Stan. Stan war über einsneunzig, und er wurde von Männern geschleppt, die ihm gerade mal bis zu den Achseln reichten. Sein Haar einschließlich des Bartes war dunkelrot und verfilzt. An einer Seite seines Schädels klaffte eine große, feuchtschimmernde Platzwunde. An seiner Hose klebte eine Kruste aus Blut, Dreck und Kot. Er hatte die Augen geschlossen und stöhnte und wimmerte vor sich hin. Er war völlig hinüber. Er humpelte und ging vornübergebeugt und übertrieb ganz bestimmt nicht. Bei seinem Anblick fühlte ich mich, als käme ich gerade von einer Kur. Es war das erste Mal, daß ich ihn sah, seit wir versucht hatten, die Jets mit dem TACBE anzufunken.
Ich erinnerte mich an die Nacht, in der Dinger und ich gemeint hatten, daß die Wachmänner jemandem befahlen, sich hinzustellen. »Steh, böser Junge! Steh!« Sie hatten also tatsächlich Stan gesagt und nur seinen Namen falsch ausgesprochen.
Die Wachen drehten sich um und sahen, wohin ich blickte. Sie traten mir den Krug aus den Händen und gingen dann wie wild mit den Stiefeln auf mich los.
»Nix gucken!« schrien sie. »Nix gucken!«
Es war das erste Mal seit dem allerersten Verhör, daß ich getreten wurde, und ich hätte gut darauf verzichten können. Ob sie tatsächlich einen Fehler gemacht hatten, weil sie die Tür offengelassen hatten, oder ob es Absicht war, konnte ich nicht sagen.
Ich rollte mich auf dem feuchten Beton zusammen. Ich hatte rasende Schmerzen an den Zähnen, doch etwas Positives gab es doch: Sie hatten vergessen, mir die Handschellen wieder anzulegen. Mir war übel, doch ich versuchte mit aller Kraft den Brechreiz zu unterdrücken. Ich wollte kein Wasser verlieren. Schließlich konnte ich nichts mehr dagegen tun und erbrach mich. Die ganze kostbare Flüssigkeit, die ich gewonnen hatte, war wieder verloren.
Ich hörte, wie Dinger weggeführt wurde; ich hörte nicht, daß Stan zurückgebracht wurde. Kurz darauf kamen sie, um mich zu holen. Es war mittlerweile Routine. Sie legten mir die Augenbinde und die Handschellen an und schleppten mich wortlos weg.
Diesmal herrschte sehr, sehr langes Schweigen, während ich auf meinem Stuhl saß. Ich konnte Füße schlurfen und Stifte kritzeln hören. Ich konnte die immer gleichen Gerüche riechen.
Es kam mir so vor, als ob eine ganze Stunde lang nichts passierte.
»Andy«, hörte ich. »Heute wollen wir die Wahrheit von dir.«
Es war »die Stimme«, aber sie klang wie verwandelt. Bestimmt, ungeduldig und nicht zum Späßen aufgelegt.
»Wir wissen, daß du gelogen hast. Wir haben versucht, dir zu helfen. Du hilfst uns überhaupt nicht. Deshalb werden wir die Wahrheit auf andere Weise aus dir rausholen müssen. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja, ich verstehe, was Sie meinen, aber ich weiß nicht, was Sie wollen. Ich habe Ihnen alles gesagt. Ich versuche zu helfen.«
»Schön. Warum bist du im Irak?«
Ich spulte wieder die gleiche Leier ab. Noch bevor ich fertig war, stand er auf und ging auf und ab.
»Das ist alles, was ich weiß«, sagte ich und versuchte auszumachen, wo er sich im Raum befand.
»Du lügst uns an!« schrie er mir ins Gesicht. »Wir wissen das! Wir wissen, daß du lügst!«
Mein Kopf wurde nach hinten gerissen, und »die Stimme« fing an,
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