Die Männer von Bravo Two Zero
Mark, daß es ihm miserabel ging. »Wir müssen weg«, murmelte er. »Ich verrecke hier.«
Er hatte weniger an als wir anderen. Am Oberkörper trug er nur sein Hemd, den Überzieher und den Pullover, und das war alles durchnäßt. Wir nahmen ihn in die Mitte und versuchten, ihn aufzuwärmen. Es stand eine Entscheidung an, und die mußte gemeinsam getroffen werden, denn es ging um jeden einzelnen. Sollten wir am hellichten Tage losziehen, damit Mark überlebte, zugleich aber eine Entdeckung riskieren? Es würde noch stundenlang hell sein, und wir wußten nicht, was uns hier erwartete. Oder warteten wir bis zum allerletzten Moment, wenn er glaubte, er könne nicht mehr?
Ich redete ihm gut zu, auszuhalten. »Wenn wir in einer halben Stunde weiter müssen, okay, aber wir sollten versuchen, so lange wie möglich hier zu bleiben.«
Wenn er den Kopf geschüttelt und gesagt hätte, nein, er müsse jetzt los, wäre ich ohne zu zögern aufgestanden. Aber er nickte.
Als weitere zwei Stunden verstrichen waren, brauchte nicht nur Mark Hilfe. Wir waren alle in einem deprimierend schlechten Zustand. Wenn wir hier blieben, würden wir am Abend alle tot sein.
Ich spähte über die Mauer. Noch anderthalb Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit. Die Wolkendecke und der Schnee würden es eher dämmerig erscheinen lassen. Es schneite immer noch heftig, und ich konnte nichts hören oder sehen, abgesehen von der typisch kahlen Wüstenlandschaft, die aber unter einer dichten Schneedecke lag.
»Los geht’s«, sagte ich.
Wir überlegten uns, wie wir die Spuren im Schnee verwischen konnten. Im Laufe der Nacht würde es hoffentlich weiter schneien oder regnen und alles auslöschen. Wir wandten uns daher nach Osten, machten eine Schleife und richteten uns dann nach Nordwesten. Dieser Ablenkungsplan erwies sich als vorzüglich, denn wir waren kaum einen Kilometer von dem Lager entfernt, als wir hinter uns Hupen und Rufe hörten. Wir drehten uns um und sahen Lichter. Rings um unsere Stellung standen Fahrzeuge.
»Scheiße«, sagte Legs. »Jetzt brauchen sie nur unseren Spuren zu folgen.«
Aber es wurde nun rasch dunkel, und die Spuren der Irakis hatten sich mit unseren vermischt und sie irritiert.
Wir hatten geplant, nach dem Überqueren der Schotterstraße nach Nordwesten zu gehen und den kürzesten Weg zur syrischen Grenze zu nehmen. Wenn wir auf dieser Seite der Schotterstraße nach Nordwesten marschierten, war das Entdeckungsrisiko größer, denn wir hatten hier tagsüber viel Verkehr gesehen.
Doch jetzt mußten wir unseren Plan andern. Uns würde bald das Wasser ausgehen. Wir füllten unsere Flaschen mit Schnee, aber selbst unter den besten Bedingungen dauert es lange, bis er schmilzt, und man behält immer nur sehr wenig Wasser übrig. In unserem
Fall war es so kalt, daß es bei Schnee und Eis blieb. Und Schnee kann man nicht essen. Man vergeudet nicht nur kostbare Körperwärme, wenn man ihn im Mund schmilzt, sondern er kühlt den Körper zusätzlich von innen her und schadet den lebenswichtigen Organen. Wir hatten keine Ahnung, wann und wie wir wieder Wasser bekommen würden. Also mußten wir so schnell wie möglich die Grenze erreichen.
Der zweite und wichtigere Gesichtspunkt für diese Planänderung war das Wetter. Wir befanden uns etwa 300 Meter über dem Meeresspiegel, und im Nordwesten war es noch höher. Der Abkühlfaktor durch den Wind war hier bedrohlich. Die Temperatur war ohnehin niedrig, aber der eisige Wind drückte sie noch weiter nach unten. Wir mußten aus dem Wind heraus, und wir mußten unter die Schneefallgrenze gelangen. Doch die Chance, dem Wind zu entgehen, war gering, denn die Gegend bot keine natürliche Deckung.
Wie alle Wasserwege fließt der Euphrat durch tiefliegendes Gelände. Der Fluß lag ca. 150 Meter unter uns. Wenn wir nach Norden gingen, würden wir nicht nur unter die Schneefallgrenze gelangen, sondern auch Schutz vor dem Wind finden.
Wir gingen nach Norden. An Richtung Westen konnten wir später denken. Es war einfach zwingend notwendig, daß wir von der Höhe runterkamen. Sonst würden wir alle draufgehen.
Drei Kilometer von unserem Mauerlager entfernt lag schon kein Schnee mehr. Ich war stinksauer. Hätten wir bereits am Morgen noch diese kurze Strecke zurückgelegt, hätten wir nicht den ganzen Tag im Schnee zu liegen brauchen. Wir hatten aber immer noch große Probleme mit dem Wind. Ich hatte mir ein Tuch um den Kopf gewickelt und hielt den Kompaß in der Hand vor mir. Der Daumen
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