Die Männer von Bravo Two Zero
heraus, und die Offiziere wurden wieder hereingeholt. Sie wiesen die beiden Soldaten vor die Tür und teilten die Münzen unter sich auf. Obwohl sie dabei eine betont offizielle und feierliche Miene aufsetzten, war ganz offensichtlich, was sie vorhatten.
Es war wohl der Habgier der Offiziere zu verdanken, daß meine Fluchtkarte aus Seide und mein Minikompaß nicht gefunden wurden. Ich hatte beides in meiner Uniform versteckt, und eine gründliche Durchsuchung hätte sie bestimmt zutage gefördert. Ich war froh, daß ich sie noch hatte. Es war ein herrliches Gefühl: Wenn ihr wüßtet, daß ich noch eine Fluchtkarte und einen Kompaß habe, also leckt mich doch. Die besten Fluchtmöglichkeiten bieten sich kurz nach der Gefangennahme. Je länger du in Gefangenschaft bist, desto schwieriger wird die Flucht, weil das System sich immer besser um einen Gefangenen kümmert. Die Truppen an der Front haben andere Probleme, doch im Hinterland sind die Sicherheitsmaßnahmen besser, und höchstwahrscheinlich bist du schon deine Uniform los. Vom Moment meiner Gefangennahme an versuchte ich mich zu orientieren, um herauszufinden, wo Westen lag. Falls meine Chance kam, mußte ich das wissen.
Man verband mir die Augen, und ich wurde in einen anderen Raum geführt. Ich spürte, daß er groß und luftig war. Es waren Leute da, die sich unterhielten; die Atmosphäre war gedämpfter. An den verhalteneren Stimmen konnte ich erkennen, daß es das Zimmer eines Vorgesetzten war. Seltsamerweise fühlte ich mich sicher. Ich hatte irgendwie das Gefühl, außer Gefahr zu sein, weit weg von dem wütenden Mob, obwohl ich mir denken konnte, was passieren würde. Dann wurde mir klar, daß die Leute hier, obwohl sie beherrschter klangen, wahrscheinlich mit größerer Professionalität zu Werke gehen würden.
Es roch stark nach Kaffee, Gitanes und billigem Aftershave. Ich wurde auf einen Stuhl mit gepolstertem Sitz und hoher Lehne gedrückt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, gar nicht da zu sein. Ich flüchtete mich in Phantasievorstellungen, um meine Situation auszublenden, als wäre alles nur ein Traum. Ich hätte nie für möglich gehalten, daß mir so etwas passieren könnte. Es war ein Gefühl, als hätte ich ein Kind mit dem Auto überfahren: absolute Fassungslosigkeit. Ich hörte zwar irgendwelche Dinge, aber ich war in meiner eigenen kleinen Welt eingeschlossen. Plötzlich wurde ich wieder klar und überlegte, ob ich sie um Erbarmen bitten sollte oder um eine Tasse Kaffee oder etwas zu essen. Nein, ich würde um nichts bitten. Wenn sie mir was geben wollten, um so besser, aber ich würde sie nicht anbetteln.
Ich spannte die Muskeln an, senkte den Kopf und preßte die Beine zusammen. Ich rechnete damit, daß sie erst einmal ihren Frust an mir abreagieren wollten, bevor sie mich nach allen Regeln der Kunst verhörten. Sie tuschelten miteinander.
Also, was kommt denn nun, dachte ich. Eine gräßliche Folter?
Männer liefen herum, flüsternd. Wenn man angestrengt die Ohren spitzt, wird das kleinste Geräusch verstärkt. Ein Stuhl wurde gerückt. Jemand stand auf und kam zu mir.
Ich wappnete mich. Es geht los. Ich tat so, als würde ich zittern. Ich ersehnte nichts stärker, als daß diese Leute Mitleid mit mir hatten.
Zwei Sekunden kamen mir vor wie zwei Minuten. Es war ungeheuer frustrierend, nicht sehen zu können, was vor sich ging. Ich zitterte wieder, ein verletztes, jämmerliches Wesen, ein Ahnungsloser, ein Mann, der es nicht wert ist, daß man ihm was tut. Aber ich wußte, daß ich mich an einen Strohhalm klammerte. Den Kopf gesenkt, versuchte ich, keinerlei Reaktion zu zeigen, als er sich näherte.
Es duftete stark nach Kaffee, und ich wünschte mir, ich wäre in ROSS’ Café in Peckham mit einem großen Milchkaffee vor mir auf dem Tisch. Als Kids aßen wir dort samstags immer eine doppelte Portion Pommes mit Bratwurst und viel Senf und tranken dazu einen Milchkaffee. ROSS, der Grieche, hatte nichts dagegen, wenn wir den ganzen Vormittag blieben. Wir können nicht älter als acht oder neun gewesen sein. Meine Mum gab mir immer das Geld, damit ich bei ROSS essen konnte, sie wußte, es war für mich das Größte. Im Winter waren die Fenster so beschlagen, daß das Wasser an den Scheiben herablief, und dann dieser starke Kaffeeduft. Es war richtig gemütlich da. Ich erinnerte mich so lebhaft daran, daß ich mich einen kurzen Moment lang wie ein Kind fühlte, das hingefallen ist und nach seiner Mutter schreit.
Dinger war mit seiner
Weitere Kostenlose Bücher