Die Männer von Bravo Two Zero
so schutzlos ist.
Wenn jetzt mein letztes Stündlein geschlagen hat, sagte ich mir, will ich noch mal so viel wie möglich sehen. Der Himmel war wunderschön klar. Wir lagen unter einem Obstbaum, ich hörte Vogelgezwitscher. Etwa 20 Meter entfernt fuhren ab und zu Wagen los, man unterhielt sich, alles war recht friedlich und angenehm. Von der anderen Seite der Mauer klang das hektische Treiben der Stadt herüber, das Hupen und Motorheulen von Fahrzeugen und der Lärm von Menschen. Ich hörte, daß etwa 50 Meter entfernt das Haupttor auf- und zuging, Fahrzeuge hinausfuhren und leiser wurden. Ich fühlte mich so geborgen und sicher wie in einem Klostergarten in einem anderen Jahrhundert.
Ich dachte: Wenn es denn passieren soll, dann sofort. Ich dachte nicht viel an Jilly oder Kate. Das hatte ich bereits getan, als ich mich in dem Graben versteckt hatte, und dabei war mir klargeworden, daß nichts mehr zu andern war und nicht mehr die Zeit war, mir ihretwegen Sorgen zu machen. Ich hatte sie so gut es ging finanziell abgesichert. Ich hatte die Briefe für sie vorbereitet, und im Grunde wußten sie ja, daß ich sie liebte, und ich wußte, daß sie mich liebten. Es war alles klar; sie würden erfahren, daß ich tot bin, und das war’s dann.
Es kamen noch mehr Soldaten, sie traten und schlugen. Sie sahen herab auf die zwei Häufchen Elend auf dem Boden; sie bespuckten und bepinkelten uns und kicherten dabei wie die Teenager, was ein paar von ihnen vermutlich auch waren. Aber es war alles nicht mehr so heftig. Entweder war der Reiz des Neuen für sie verflogen, oder ich gewöhnte mich allmählich dran. Ich hielt einfach weiter den Kopf nach unten und biß die Zähne zusammen. Wir stöhnten und wimmerten bei jedem Fußtritt, weil es weh tat - aber das lag weniger an der Wucht des Tritts als vielmehr daran, daß er die höllischen Schmerzen der früheren Mißhandlungen verschlimmerte. Sie schimpften auf Mitterrand und Bush, und als sie sahen, daß mir die Augenbinde heruntergerutscht war, fuhren sie sich mit der Hand über die Kehle, schwenkten ihre Gewehre und schrien peng- peng. Ich hätte es verstanden, wenn es Teil irgendeiner Taktik gewesen wäre, aber diese Typen machten das aus reinem Spaß an der Freude.
Wagen fuhren los, und die Fahrer ließen die Motoren aufheulen. Aus den Gebäuden hinter uns waren Schreie und lautstarke Kommandos zu hören, und das versetzte mich in Panik. Es war ein entsetzlich demoralisierendes Gefühl; jetzt geht’s wieder los, dachte ich; laßt uns doch noch eine Stunde hier liegen, es ist so wohltuend in der Sonne, richtig erholsam.
Ich hoffte, daß der Lärm von den Offizieren kam und nicht bloß bedeutete, daß die Soldaten wieder der Tatendrang packte. Bei den Offizieren hatte man immerhin das Gefühl, daß sie einen bestimmten Zweck verfolgten; man konnte sich mit ihnen auseinandersetzen.
Bei den Soldaten hatten nur Stiefel und Fäuste das Sagen.
Fahrzeugtüren knallten. Es herrschte hektisches Treiben. Offensichtlich war irgendwas im Gange. Ich wappnete mich innerlich, denn es würde geschehen, ob ich wollte oder nicht.
Ich überlegte, was ich Dinger zurufen sollte. »Gott schütze die Königin!« vielleicht. Aber vielleicht besser nicht.
Jemand band mir die Füße los, aber Augenbinde und Handschellen blieben, wo sie waren. Hände packten mich grob an beiden Seiten und zerrten mich hoch. Mein Körper war nach dem langen Liegen steif geworden. Prellungen pochten. Verkrustete Wunden rissen wieder auf, als sie mich stießen und schoben. Meine Füße wollten mich nicht tragen, und man mußte mich schleifen.
Ich wurde auf die Ladefläche eines offenen Pick-ups geworfen, und Hände beförderten mich nach vorn. Sie drückten mich über das Führerhaus, rechts und links ein Soldat; vermutlich brachten sie mich weg, um mich zu erschießen. War das das letzte Mal, daß ich etwas sah oder hörte? Mein hehrer Vorsatz, Dinger noch etwas zuzurufen, war verpaßt, und ich ärgerte mich über mich selbst.
Sie nahmen mir die Augenbinde ab, und ich blinzelte im blendenden Sonnenlicht. Vor uns war nichts zu sehen. Sie würden nicht zulassen, daß ich mich umdrehte, daher konnte ich nicht sagen, ob Dinger hinter mir war. Die Soldaten hämmerten auf das Dach, der Fahrer und Beifahrer hatten die Arme zum Fenster rausgestreckt und schlugen ebenfalls auf das Blech. Überall war fröhlicher Lärm.
Einer der Offiziere kam herüber und sagte: »Wir zeigen euch jetzt unserem Volk.«
Meine Augen hatten
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