Die Maetresse des Kaisers
Giovanna aufzuheben und aus dem Kerker zu tragen.
»Bringt sie in eine der Dienststuben des Palastes. Ich werde weiter nach ihr sehen.«
Er zwinkerte Giovanna zu, als die Wärter sie unter den Achseln stützten und mühsam auf die Füße zogen. Ihr liefen Tränen des Schmerzes und der Erleichterung über das Gesicht.
»Idioten«, herrschte Karim die Wärter an. »Tragt sie richtig. Ihr seht doch, dass sie sich nicht auf ihren verletzten Füßen halten kann.«
Schritt für Schritt verließen sie die Keller der Inquisition, und als sie endlich die frische Luft erreicht hatten und das Gebäude hinter ihnen lag, nahm Giovanna Karims Hand.
»Danke«, flüsterte sie. »Ihr seid ein guter Mensch.«
»Wie lautet Euer Name?«, fragte er sie.
»Giovanna. Ich stamme aus dem Piemont.«
»Dann hattet Ihr einen langen Weg nach Foggia. Kein Wunder, dass Eure Füße entzündet sind.«
»Ich bin von Turin aus zu Fuß gegangen.«
»Und was war Euer Ziel?«
»Bari. Das Kloster der Ehrwürdigen Schwestern. Verzeiht, aber ich bin Christin.«
Karim lachte. »Ihr hattet Glück, dass ich es war, der dem Gesuch des Inquisitors nachkam. Normalerweise habe ich anderes zu tun, als angebliche Ketzerinnen zu überprüfen.«
Er erinnerte sich, dass Bianca oft von einer Giovanna gesprochen hatte, und zählte eins und eins zusammen. Falls es sich bei der Kranken tatsächlich um die ehemalige Amme von Bianca handeln sollte, würde die alte Frau das eigentliche Ziel ihrer Reise am Ende ihres Lebens doch noch erreichen.
Aber er fürchtete, dass das Glück des Wiedersehens nur von kurzer Dauer werden würde. Er würde seine ganze ärztliche Kunst einsetzen, um sie zu retten, doch er war kein Phantast. Die Chancen, dass sie es überlebte, standen schlecht.
E s war einmal«, begann Bianca, und Konstanze und Konrad folgten mit großen Kinderaugen und atemloser Spannung ihrer Erzählung. »Es war einmal ein tapferer Ritter mit Namen Tristan, dessen Eltern früh gestorben waren und der nach vielen Abenteuern an den Hof seines Onkels, König Marke von Cornwall, kam. Dort siegte er in vielen Turnieren und Zweikämpfen, doch einmal wurde er von einem vergifteten Schwert verwundet und musste nach Irland reisen, denn nur die Königin Isolde konnte solche Wunden heilen.«
»War sie so klug wie Karim?«, fragte Konrad.
Bianca nickte. »Sie war ebenso klug wie Karim, und tatsächlich wurde der Ritter Tristan wieder gesund. Am Hof der Königin Isolde hatte er ihre Tochter kennengelernt, die ebenfalls Isolde hieß und wunderschönes blondes Haar hatte.«
»So wie du«, sagte Konstanze und fasste ihrer Mutter in die langen Locken.
Bianca lachte. »Nein, mein Schatz, Isolde war viel schöner als ich. Sie war die schönste Frau auf der ganzen Welt. Und der Ritter Tristan fuhr heim zu seinem Onkel, König Marke, und erzählte von der Königstochter, und der Onkel, der aber schon alt war, beschloss, Isolde zur Frau zu nehmen.«
Sie machte eine Pause, und sofort verlangten die beiden, dass die Geschichte weitergehen solle.
»Also fuhr Tristan wieder nach Irland, und Isoldes Eltern waren einverstanden und schickten ihre Tochter zusammen mit Tristan zu König Marke. Isoldes Mutter hatte allerdings einen Zaubertrank gebraut, den sollte Brangäne, eine der Brautjungfern, Isolde und dem König heimlich zu trinken geben, damit sie einander in ewiger Liebe verfallen.«
Sie sah kurz auf, denn die Tür hatte sich geöffnet, und Karim war eingetreten. Er gab ihr ein Zeichen, weiterzusprechen, und legte den Zeigefinger auf die Lippen, um die Kinder, die ihn begeistert begrüßen wollten, zu beruhigen.
»Karim«, rief Konrad dennoch, »Bianca erzählt eine Geschichte.«
Er nickte, und Bianca fuhr fort.
»Aber während der Überfahrt von Irland nach Cornwall litten Tristan und Isolde schrecklichen Durst und tranken den Zaubertrank, ohne zu wissen, was er bewirkte. Und vom selben Moment an verliebten sie sich ineinander und haben nie wieder voneinander gelassen.«
»Und der alte König?«, fragte Konrad.
»Nun, Isolde hat König Marke zwar geheiratet, aber geliebt hat sie immer nur den Ritter Tristan. So, und jetzt lasst mich mit Karim allein, der mir sicher etwas Wichtiges zu sagen hat.«
Sie sahen den beiden nach, als sie aus dem Zimmer liefen, und Karim sagte versonnen: »Sie sind wie Geschwister.«
»Ja, und sie sind noch so unbefangen und wissbegierig. Ich fürchte nur, dass Konrads Kindheit bald vorbei sein wird. Wenn Heinrich in Deutschland weiter so
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