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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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Körper, und ihre Zähne schlugen aufeinander, dass es ihr nicht möglich war, zu antworten. Sie hatte sich für listig gehalten, aber ihre Lage war noch aussichtsloser geworden. Sie war jetzt schon so gut wie tot.

K arim an-Nasir sah sofort, dass die Frau log. Doch mit demselben scharfen Blick erkannte er, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte, wenn ihre Füße nicht sofort behandelt würden. Er hatte schon weniger entzündete Gliedmaßen gesehen und hilflos erleben müssen, wie die Kranken unter unerträglichen Schmerzen starben. Sie waren von Krämpfen geschüttelt worden, und ihr ganzer Körper war unförmig angeschwollen. In solchen Fällen war der Tod unausweichlich, und kein noch so weiser Arzt konnte sie in diesem Stadium noch retten.
    Karim wandte sich an den Inquisitor.
    »Warum führt Ihr Verhöre, wenn die Gefangenen schon im Kerker verrecken? Diese Frau dort, die behauptet, eine Sarazenin zu sein, gehört auf ein Krankenlager und nicht in dieses stinkende Verlies.«
    »Es besteht der begründete Verdacht, dass sie eine Ketzerin ist.«
    »Deshalb lasst Ihr sie also schon vor Eurem Urteilsspruch sterben. Verzeiht, aber ich kann darin keinen Sinn erkennen.«
    Die Augen des Dominikaners wurden zu schmalen Schlitzen.
    »Ihr seid hier, um zu prüfen, ob die Frau Arabisch spricht. Sie beruft sich auf die Gesetze des Kaisers, die die Sarazenen schützen.«
    Nicht dumm, dachte Karim, aber höchst gefährlich, wenn die List so leicht zu durchschauen ist. Es war ein Zufall, dass er selbst dem Gesuch des Inquisitors nachgekommen war, denn normalerweise betrat der Leibarzt des Kaisers nicht die Kerker der Kirche. Doch Karim hasste die Inquisitoren, die Patres, die jeden Gedanken, der nicht in ihr Weltbild passte, als Ketzerei anprangerten und deren Verhörmethoden nichts anderes zutage brachten als unausweichliche Geständnisse. Zeugen, die es nicht gab, Aussagen, die erpresst worden waren – Karim hatte das System längst durchschaut, und auch der Kaiser missbilligte das Vorgehen der Inquisitoren.
    Karims und auch Friedrichs Auffassung von Rechtsprechung und Gerichtsbarkeit war eine andere, und vor nicht allzu langer Zeit hatte der Kaiser die berühmtesten Rechtsgelehrten aus Deutschland und dem Königreich Sizilien zusammengerufen, um mit ihnen gemeinsam ein neues Gesetzeswerk zu schaffen. Doch was in diesem Verlies passierte, war nach Karims Meinung dunkelste Barbarei.
    Er betrachtete die alte Frau, die vor Schmerzen wimmerte, und entschied, dass ihm die Sprachkenntnisse dieser angeblichen Sarazenin egal waren und es hier in erster Linie um seine Pflichten als Arzt ging.
    »Lasst uns allein«, herrschte er den Pater an, der sich widerwillig zurückzog.
    Karim beugte sich über die Frau, die ihn mit angstvollen Augen anstarrte.
    »Habt keine Angst. Ich weiß, dass Ihr gelogen habt. Aber ich bin Arzt und werde mich jetzt um Eure Füße kümmern. Wenn wir die Wunden nicht ganz schnell behandeln, braucht Ihr keinen Prozess mehr.«
    Sie zuckte zusammen, als er die Lumpen entfernte, die sie notdürftig um Füße und Beine gebunden hatte. Das Fleisch war geschwollen, die Wundränder waren aufgeworfen und dunkelrot verfärbt. Wässrige Flüssigkeit lief aus den offenen Stellen, und an den Gelenken hatte sich Eiter gebildet.
    Ohne zu zögern, traf Karim seine Entscheidung.
    »Ihr kommt mit mir. Wenn Ihr auch nur noch einen Tag in diesem Verlies bliebt, kann Euch niemand mehr retten.«
    »Aber der Inquisitor …«, stammelte Giovanna.
    »Den lasst meine Sorge sein. Und jetzt kein Wort mehr.« Karim wies einen der Wärter an, den Dominikaner zu rufen. »Die Frau hat die Wahrheit gesagt, sie ist eine der Sarazeninnen aus Lucera. Ich brauche Hilfe, um sie hier herausbringen zu lassen.«
    »Das ist unmöglich. Der Prozess wird fortgesetzt.«
    »Habt Ihr nicht gehört? Sie ist keine Ketzerin, sie ist ja nicht einmal eine Christin. Also fällt sie nicht unter das Urteil der Kirche.«
    Der Inquisitor unterdrückte seinen Zorn nur mühsam.
    »Und Ihr seid sicher, dass sie Sarazenin ist? Sie sieht nicht so aus.«
    »Das ist wahr. Sie sieht aus wie eine Todkranke. Und dank Eurer mitfühlenden Behandlung hängt ihr Leben auch nur noch an einem seidenen Faden.«
    »Sie spricht also Eure Sprache?«
    »Genug, um mich davon zu überzeugen, dass sie nicht in Euer Gefängnis gehört. Außerdem bin ich sicher, dass Ihr noch genügend Ketzer finden werdet, so dass Euch die Urteile nicht ausgehen werden.«
    Karim befahl zwei Wärtern,

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