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Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Titel: Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Attilio Bolzoni
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Arbeit aufgenommen hatten, hielten Staatsanwälte und Unternehmensvertreter im Teatro Biondo eine Tagung gegen die Schutzgelderpressung ab. Der Saal war halb leer. Außer Behördenvertretern, ein paar Staatsanwälten und einem halben Dutzend Gewerkschaftern war kaum jemand gekommen, nicht einmal die Vertreter der Branchenverbände Palermos. Von den dreihunderttausend Geschäftsleuten, die es in Sizilien gibt, erschien nur ein Einziger: Bruno Piazzese aus Syrakus. Er hatte auf der Insel Ortigia einen Pub eröffnet, auf den schon dreimal ein Brandanschlag verübt worden war.
    Ein paar Jahre später fand am selben Ort wieder eine Veranstaltung gegen die Schutzgelderpressung statt. Diesmal war der Saal voll, und der jetzige Präsident des Industriellenverbandes, Ivan Lo Bello, kündigte an: »Wer zahlt, wird aus unserem Verband ausgeschlossen.«
    Nach der mutigen Abkehr von der Mafia müssen die Unternehmer der Insel nun durch ihr Handeln zeigen, auf welcher Seite sie stehen, und in den eigenen Reihen aufräumen. Lippenbekenntnisse, Tagungen, Interviews und Fernsehauftritte reichennicht mehr aus. Das Risiko ist groß: Den Erklärungen müssen Taten folgen, sonst könnte sich das Ganze als reine PR-Aktion und politisches Taktieren erweisen: alles verändern, damit alles beim Alten bleibt. Diese Gefahr besteht in Sizilien immer.
    38. Welche anderen Erwerbsquellen hat die Cosa Nostra neben der Schutzgelderpressung?
    Der Heroinhandel brachte der Cosa Nostra früher immensen Reichtum. Sie belieferte den gesamten Markt, von Südostasien bis in die Vereinigten Staaten. Heute bereichert sie sich durch öffentliche Aufträge. Wo immer es etwas zu tun gibt, ist sie zur Stelle. Wo ein Kalkwerk oder eine Betonfabrik steht, riecht es nach Mafia. Als ich klein war, sagte man mir, es gebe eine todsichere Methode, einen Mafioso zu erkennen: »Schau auf seine Schuhe, er trägt schöne Schuhe, an denen aber stets der Dreck einer Baustelle klebt.«
    In letzter Zeit hat sich das System geändert, mit dem die Vergabe öffentlicher Bauaufträge beeinflusst, eine Ausschreibung gesteuert und der Kuchen aufgeteilt wird. Früher bekamen in Sizilien einige alles. Das galt als normal, als naturgegeben. Die öffentlichen Bauaufträge teilten drei, vier Konzerne untereinander auf. Im westlichen Sizilien bekamen die Cassina zweiundfünfzig Jahre lang die Zuschläge für die Instandhaltung der Straßen und der Kanalisation in Palermo. Im östlichen Sizilien waren es die
Cavalieri del lavoro
(»Ritter der Arbeit«) und Herren von Catania: die Costanzo, Graci und Rendo. Dabei sind dies nur die Namen der größten Unternehmensgruppen. Das mafiose und politisch-mafiose Management der Bauaufträge gab es in jeder Provinz Siziliens. Es lag in der Hand derer, die im jeweiligen Territorium das Sagen hatten, in der Politik und in der Mafia.
    Das änderte sich, als sich die Cosa Nostra veränderte: als die Corleoneser kamen. Seit Totò Riina war die Mafia an der Aufteilung des Kuchens nicht mehr nur
beteiligt,
sie hat darüber
entschieden,
wie der Kuchen aufgeteilt wird.
    39. Worin bestand Totò Riinas Revolution bei den öffentlichen Ausschreibungen?
    Riina hat das »System des runden Tischs« eingeführt. Man setzte sich zu dritt zusammen: Politiker, Baufirmen und Mafia. Die Baufirma zahlte Schutzgeld sowohl an die Politiker als auch an die Mafiosi: eine Abgabe von drei Prozent. Darüber hinaus erhielten die Mafiosi das Monopol für Erdarbeiten, für die Lieferung von Zement oder Kies aus ihren Gruben und für die Auswahl des Baustellenpersonals. Entsprechend diesem System wurden in den 1980er und 1990er Jahren in Sizilien Krankenhäuser, Staudämme, Regierungssitze, Straßen und Autobahnen, Gerichtsgebäude, Kasernen und Hochsicherheitsgerichtssäle für Tausende Milliarden Lire gebaut.
    Die Ausschreibungen waren allesamt von Anfang an manipuliert. Die Firmen trafen Absprachen, und dann entschied die Cosa Nostra, wann wie vorzugehen war. Die Corleoneser hatten die vollständige Kontrolle über diese Abläufe. Ihnen standen »Fachleute« zur Verfügung: Unternehmer wie Angelo Siino, den sie »Totò Riinas Bauminister« nannten; Beamte wie Giuseppe »Peppuccio« Zito, Pino Lipari und Francesco Martello. Wer nicht einverstanden war, musste sterben. In weniger als zehn Jahren, zwischen 1979 und 1988, wurden in Sizilien einundfünfzig Unternehmer ermordet.
    Nicht nur sizilianische Firmen waren am »System des runden Tischs« beteiligt, auch die großen Unternehmen

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