Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
empfangen: »Hoch lebe Florenz. Hoch leben die Geschworenen. Hoch lebe Palizzolo.«
Seitdem brachte die sizilianische Mafia achtundsiebzig Jahre lang keine hochrangige Persönlichkeit mehr um. Erst 1971, mit der Ermordung des Oberstaatsanwalts Pietro Scaglione, schlug sie erneut zu.
Die Gerichtsbehörden haben sich nie eine Blöße gegeben. Man braucht sich nur die zahlreichen Aktenbände des Prozesses anzusehen, um dies zu belegen. Es wurden 135 Personen verhaftet, sämtliche Wärterhäuschen entlang der Bahnstrecke wurden durchsucht, aber es ließ sich nichts Konkretes finden, und man trug lediglich Gerüchte zusammen, wonach Palizzolo der Auftraggeber sei. Wenn es eine Beeinflussung gab, dann jene, die Palizzolo auf die Anklagebank brachte – ein Einfluss, der auf die gegen ihn geschürte Stimmung und auf diffuses Gemunkel zurückzuführen war, wovon aber nichts Handfestes übrigblieb.
Aussage des Generalstaatsanwalts von Palermo, Vincenzo
Cosenza, im Prozess zum Mord an Emanuele Notarbartolo
in Florenz
50. Warum hat die Mafia fast hundert Jahre lang keinen Staatsvertreter mehr umgebracht?
Weil keine Notwendigkeit dazu bestand. Die Mafia zog es von Anfang an vor, sich hinter dem Staat zu verstecken, statt ihn zu bekämpfen. Ihr Charakter und ihre Stärke war es immer gewesen, mit allen gut auszukommen, um mit allen Geschäfte zu machen: mit Politik, Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft. In jenen achtzig Jahren der Unsichtbarkeit nistete sich die Mafia überall ein, ohne einen einzigen Schuss gegen die Staatsmacht abgeben zu müssen.
Bis 1982 hatte die italienische Gesetzgebung die Mafia nicht als eine kriminelle Organisation anerkannt. Bis dahin gab es in Italien den Straftatbestand der mafiaartigen Vereinigung garnicht. Dann kamen die Corleoneser, die Bosse, die den Charakter der Cosa Nostra grundlegend veränderten. Ihr Oberhaupt Salvatore Riina erklärte in seinem Größenwahn zum ersten Mal in der langen Geschichte der sizilianischen Mafia dem Staat den Krieg. In dieser Provokation sahen manche den Anfang vom Ende der Cosa Nostra, einer Organisation, die nie nur eine gewöhnliche Verbrecherbande gewesen war. Doch dieses Ende werden andere erleben, wir nicht.
51. Wie hat sich die sizilianische Mafia verändert?
Bis in die fünfziger Jahre gab es die Mafia der Latifundien und Orangenhaine, in den sechziger Jahren die Baumafia, in den siebziger und achtziger Jahren die Drogenmafia. Heute gibt es die Wirtschaftsmafia. Schon 1990 hatte Untersuchungsrichter Falcone Alarm geschlagen: »Die Mafia ist jetzt an der Börse.« Raul Gardini war mit seiner Firma Calcestruzzi gerade erst Partner der Cosa Nostra geworden.
Die Mafia verändert sich. Sie entwickelt sich weiter, passt sich an und versteckt sich. Das ist ein Spiel von Kontinuität und Wandel. Vor vierzig Jahren, als sie dabei war, zu einer kriminellen Weltmacht zu werden, dachten viele, sie sei schon verschwunden, erledigt. Im
Zingarelli
, dem Wörterbuch der italienischen Sprache, von 1966 hieß es unter dem Stichwort
Mafia
: »Eine Vereinigung von Gewalttätigen und Verbrechern, die früher in Sizilien weit verbreitet war.«
Heute verfügt die Mafia nicht mehr über die Führungsfiguren von einst und versucht wieder einmal ein neues Gesicht zu zeigen. Nicht mehr das sonnenverbrannte Gesicht der Bauern von Corleone, die in ganz Italien Bomben legten und Angst und Schrecken verbreiteten.
52. Wer waren die großen Bosse der sizilianischen Mafia?
Ein großer Boss von Palermo war gewiss Vito Cascio Ferro, der im Verdacht stand, 1908 die Ermordung von Joe Petrosino veranlasst zu haben. Der New Yorker Polizeibeamte war nach Palermo gekommen, um die Geheimnisse der Mafia zu ergründen. Nach dem Zweiten Weltkrieg (und bis vor wenigen Jahren) galt Calogero Vizzini,
Don Calò
, der Patriarch von Villalba, als unangefochtener Boss der Cosa Nostra. Villalba liegt an der Grenze zwischen den Provinzen Caltanissetta und Palermo, der Hauptstadt der Grundbesitzmafia. Alte Mafiaaussteiger erzählten allerdings, in Wahrheit sei das Oberhaupt der Kommission damals ein gewisser Andrea Fazio gewesen, ein Name, der in den Polizeiberichten nirgendwo auftauchte.
Nachfolger von Calogero Vizzini war Gerüchten zufolge Giuseppe Genco Russo aus Musomeli gewesen, einem weiteren Ort unweit von Caltanissetta. Aber auch er war laut Aussagen von Kronzeugen lediglich der »Repräsentant« seiner Provinz.
Genauere Angaben über die obersten Bosse der Organisation gab es
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