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Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Titel: Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Attilio Bolzoni
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Partito Repubblicano (PRI), der Republikanischen Partei Italiens. Wenn wir diesen Schätzungen Glauben schenken – mehr als 350   000 Stimmen allein in Palermo und Catania –, können wir davon ausgehen, dass die Bosse in Sizilien insgesamt mindestens eine halbe Million Wählerstimmen kontrollierten, mehr als zehn Prozent der gesamten Wählerschaft.
    Ich bezweifle, dass das heute noch so ist. In jedem Fall konzentriert sich das politische Votum weniger auf eine einzelne Partei, sondern verteilt sich auf mehrere Kandidaten. Zwar gibt es immer noch einen regen Austausch zwischen der Mafia und der Politik, doch die Modalitäten haben sich geändert. Jede Mafiagruppierung setzt heute auf ihren eigenen Kandidaten, den sie als ihr persönliches Kapital innerhalb der Familie betrachtet und nicht als den Kandidaten der Organisation Cosa Nostra. Die Mafia probiert neue Methoden der politischen Infiltration aus und ist offen für alles, was für sie profitabel ist.
    70. Giulio Andreotti: beschuldigt, vor Gericht gestellt, freigesprochen – ein Beweis für die engen Verflechtungen zwischen Mafia und Politik?
    Das Ende des Andreotti-Prozesses fiel in die Hochphase der Normalisierung des Kampfes gegen die Mafia, als keine spektakulären Attentate mehr stattfanden und es dem Anschein nach »ruhig« um die Mafia wurde.
    Der Prozess zog sich in der ersten Instanz über sechs Jahre hin und endete am 23. Oktober 1999 mit dem Freispruch des Senators auf Lebenszeit. In zweiter und dritter Instanz wurde das Urteil teilweise modifiziert. Andreotti wurde zwar vom Vorwurf der Zugehörigkeit zu einer mafiaartigen Organisation freigesprochen, aber für schuldig befunden, bis Frühjahr 1980 einer kriminellen Vereinigung angehört zu haben. Dieser Straftatbestand war jedoch inzwischen verjährt.
    Andreotti wurde im Prozess von Palermo zwar freigesprochen, es wurde aber auch nachgewiesen, dass der einflussreichste Politiker Italiens jahrelang mit den Bossen von Palermo in Kontakt gestanden hatte. Ein Großteil der aussagewilligen Mafiosi, die ihn beschuldigten, wurde nicht als unglaubwürdig angesehen, im Gegenteil. Dennoch wurde Giulio Andreotti unter Berufung auf Artikel 530, Absatz 2 des italienischen Strafgesetzbuches aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Die Richter waren der Ansicht, das Belastungsmaterial reiche für eine Verurteilung nicht aus. Die Staatsanwälte hatten ein Gesamtbild der Anklage erstellt, doch die Richter entschieden sich, die einzelnen Vorwürfe getrennt zu bewerten. So kam es zum Freispruch des Politikers, der bis dahin wie kein anderer Italien repräsentiert hatte. Er war sieben Mal Ministerpräsident und einundzwanzig Mal Minister gewesen.
     
    Bis auf die Punischen Kriege, für die ich noch zu jung war, hat man mir so ziemlich alles angehängt.
     
    Eine Giulio Andreotti zugeschriebene Äußerung
     
    Die nach dem Urteilsspruch aufbrechenden Polemiken verfolgten häufig einen bestimmten Zweck und vergifteten das Klima. Jetzt begann ein Krieg gegen Richter und Staatsanwälte, in dem jedes Mittel der Diskreditierung recht war. Es wurden vehemente Angriffe gegen die »roten Roben« erhoben, gegen eine Justiz, die man als »politisiert« und »kommunistisch« diffamierte, wenn sie einen Mächtigen vor Gericht stellte.
    Auch innerhalb der Antimafia kam es zu heftigen Debatten, insbesondere über die Rolle Giulio Andreottis in Italien zwischen 1965 und 1990. Viele forderten eine Differenzierung zwischen der historisch-politischen und der gerichtlich ermittelten Wahrheit. In der Anklageschrift des Antimafia-Pools von Palermo sahen einige die Rekonstruktion der »wahren Geschichte Italiens« – eine These, die andere entschieden ablehnten.
    Es ist einfach, im Nachhinein darüber zu diskutieren, ob der Prozess gegen Andreotti hätte geführt werden sollen oder nicht. Das eigentliche Problem aber liegt woanders: Hat irgendjemand, einschließlich der Richter und Staatsanwälte, ernsthaft über all das nachgedacht, was im Umfeld dieses Prozesses geschehen ist? Hat irgendjemand, einschließlich der Richter und Staatsanwälte, angesichts der Ergebnisse dieses Prozesses jemals Selbstkritik geübt?
    Und schließlich – und das ist eine Frage, die wir uns alle stellen müssen, immer wieder, auch in Zukunft und auch im Hinblick auf andere führende Politiker: Kann man jedes Mal, wenn ein Mafiaverdacht besteht, gleich einen Prozess anstrengen? Man kann nicht von einem Extrem ins andere fallen und entweder überall die Mafia

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