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Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Titel: Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Attilio Bolzoni
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sehen oder nirgends, so wie es in der Vergangenheit auch herausragende Richter und Staatsanwälte getan haben.
    71. Hat die Justiz gleichfalls die Mafia gedeckt?
    Die Justiz war lange Zeit Teil eines Machtgefüges, das als Garant der Cosa Nostra fungierte. Im Namen von Recht und Gesetz verteidigte oder tolerierte sie das in Palermo herrschendemafiose Bürgertum. Sie verteidigte die Adligen und Feldhüter gegen die Bauern. Sie verteidigte die Großgrundbesitzer gegen die Gewerkschafter. Vor Falcone – und bis auf wenige Ausnahmen – konnten sich die Bosse sicher fühlen: vor dem Amtsrichter in einem abgelegenen Provinznest ebenso wie vor den Richtern am Obersten Gerichtshof.
    Wurden Mafiosi vor Gericht gestellt, fanden sie stets einen Ausweg: Sie redeten mit den Richtern. Unter Beihilfe von Anwälten, Politikern, Unternehmern und anderen Richtern, die auf die für das Verfahren zuständigen Richter zutraten, wurden die Verfahren »zurechtgebogen«. Und plötzlich existierten keine Beweise mehr für die Zugehörigkeit der Angeklagten zur Mafia. Die Polizeiberichte enthielten nur noch Listen »mutmaßlicher Mafiosi«. Es gab keine Belastungszeugen mehr. Stattdessen tauchten immer mehr Zeugen auf, die die Angeklagten entlasteten. Und viele Richter und Staatsanwälte sahen weg. Wer von der Mafia sprach, galt als Schwärmer und Phantast.
    Zwei große Prozesse Ende der sechziger Jahre endeten mit massenweise Freisprüchen aus Mangel an Beweisen: der Prozess gegen die Mafia von Palermo mit 114 Angeklagten (Urteilsspruch am 22. Dezember 1968), der in Catanzaro geführt wurde, und der Prozess gegen die Mafia von Corleone mit 64 Angeklagten (Urteilsspruch am 10. Juni 1969), der in Bari geführt wurde. Damals wurden die Prozesse gegen die Mafia wegen Befangenheit an Gerichte außerhalb Siziliens verlegt, da der Verdacht bestand, die Gerichte in Palermo seien in irgendeiner Weise beeinflussbar.
    In Bari hinter Gittern saßen auch Luciano Liggio und Salvatore Riina (Bernardo Provenzano, gleichfalls angeklagt, war damals bereits seit sechs Jahren flüchtig), die nach dem Freispruch sofort untertauchten. Liggio wurde ein paar Jahre später aufgespürt, Riina erst nach einem Vierteljahrhundert. Die Prozesse waren eine Bankrotterklärung der Justiz in ihrem Kampf gegen die Mafia. Für die Mafiosi war das Gefängnis damals nur eineDurchgangsstation. Sie wussten, dass sie schnell wieder auf freiem Fuß sein würden.
    Den Ausgang dieser Prozesse nahm sich Giovanni Falcone zu Herzen: Die Fehler der Vergangenheit sollten sich nicht wiederholen.
    72. Welcher Prozess ist beispielhaft für diese »zurechtgebogene« Rechtsprechung zugunsten der Cosa Nostra?
    Ein gutes Beispiel ist der Prozess gegen die Mörder des Carabinieri-Hauptmanns von Monreale (Provinz Palermo), Emanuele Basile. In der Nacht zum 5. Mai 1980 wurde Basile von drei Killern der Mafia getötet. Auf dem Arm hielt er seine vierjährige Tochter Barbara. Die Mörder – Giuseppe Madonia, Vincenzo Puccio und Armando Bonanno – wurden noch in derselben Nacht festgenommen, aber es dauerte siebzehn Jahre, bis sie vor dem Kassationsgericht – also in letzter Instanz – rechtskräftig verurteilt wurden.
    Die Cosa Nostra bemühte sich, den Prozess in allen Phasen zurechtzubiegen. Mehrfach versuchte sie, die Gutachter zu bestechen; die Richter am Schwurgericht wurden bedroht. Dann, am 25. September 1988, wurde Richter Antonino Saetta, der Madonia, Puccio und Bonanno in der Berufung verurteilt hatte, auf Totò Riinas Befehl getötet. Er war mit seinem Sohn Stefano auf dem Heimweg von der Taufe eines Enkels in Canicattì. Die beiden starben im Kugelhagel der Maschinenpistolen.
    Der Prozess gegen Basiles Mörder war der skandalöseste, der in den letzten fünfzig Jahren in Sizilien stattfand. Die Richter der ersten Kammer des Schwurgerichts befanden die Angeklagten für nicht schuldig – mit folgender Begründung: »Paradoxerweise muss man schlussfolgern, dass es mit einer geringeren Zahl von Indizien für das Gericht unproblematischer, wenn nicht sogar sicher gewesen wäre, die Schuld der Angeklagten festzustellen.«
    Einen Tag, nachdem die Richter die Angeklagten »aufgrundzu vieler Indizien« freigesprochen hatten, schickten sie die Mörder zum Zwangsaufenthalt in drei Dörfer Sardiniens. Eine Woche später waren Madonia, Puccio und Bonanno an Bord eines Motorboots und fingen bald darauf wieder an, in den Straßen von Palermo zu schießen.
    Damals – es ist gerade einmal zwanzig

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