Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
decken, auch wenn es sich um einen so mächtigen Boss wie Gaetano Badalamenti handelte. Auch der Mord an Peppino Impastato stellt sich – nach all den Jahren – vermutlich als das Ergebnis einer Interessenkonvergenz dar.
Der Mord an Peppino Impastato wurde in den Akten mindestens zehn Jahre lang Unbekannten zur Last gelegt. Es dauerte weitere zehn Jahre, bis die Ermittlungen neu aufgenommen wurden, und weitere vier Jahre, bis Gaetano Badalamenti als Auftraggeber des Mordes verurteilt wurde. Das war 2002, in einem neuen Jahrtausend. Doch vieles bleibt nach wie vor rätselhaft: Einige Zeugen wurden nie vernommen, und einige Protagonisten des Falls tauchten auch in den Untersuchungen zu den Geheimverhandlungen zwischen der Mafia und dem Staat zur Zeit der Anschläge von 1992 auf.
76. Im Laufe der Zeit – und mit dem Tod der Zeugen – zeigte sich, dass viele Erfolge im Kampf gegen die Mafia, etwa die Festnahme Totò Riinas, weit weniger großartig waren als behauptet, manche sogar durchaus zwiespältig. Warum?
Die Verhaftung großer untergetauchter Krimineller in Sizilien war stets von einem Schleier des Geheimnisses umgeben. Das war schon bei dem Banditen Salvatore Giuliano der Fall gewesen. Der Unterschied zwischen Riinas Festnahme am 15. Januar 1993 und der Auffindung Giulianos am 5. Juli 1950 bestand darin, dass Giuliano tot und Riina noch am Leben war, um dann in die Zellentrakte mit besonders scharfen Haftbedingungen für Mafiosi zu kommen, die nach Paragraph 41b der Strafvollzugsordnung schon auf ihn warteten.
Unsere Demokratie erscheint manchmal immer noch als sehr unreif. Teile des Staatsapparats sind bis heute dem Staat gegenüber nicht rechenschaftspflichtig. Es gibt Sondereinheiten, die nicht den Staatsanwaltschaften, und zivile und militärische Mitarbeiter in den Institutionen, die nicht den Gesetzen unterworfen sind.
Es gibt zwei Möglichkeiten, in Sachen Mafia zu ermitteln: eine transparente, institutionell abgesicherte und eine, die den alten Gepflogenheiten folgt und auf Geben und Nehmen beruht, auf Erpressung und ungeschriebenen Verträgen. Die Festnahme Riinas erfolgte nach letzterem Modell. »Du kannst Riina verhaften, aber dafür gibst du mir etwas.« Das ist die Taktik der berühmten Verhandlungen, der
trattativa
. Mit der Festnahme Riinas wurde der Kampf gegen die Mafia mit einer großen Hypothek für die neunziger Jahre belastet.
Im Inselinnern, da, wo ich herkomme, gibt es ein altes Sprichwort: »Der Mafioso wird als Mafioso geboren und stirbt als Polizist, der Polizist wird als Polizist geboren und stirbt als Mafioso.« Extreme können sich manchmal auch berühren.
Der Generalinspekteur für die öffentliche Sicherheit, Ciro Verdiani, Chef der sizilianischen Polizei, setzte sich unverzüglich mit Ignazio Miceli in Verbindung, dem Boss der Familie von Monreale, die, wie sich herausstellte, die wichtigste Mafiafamilie der Insel war, sowie mit Salvatore Giuliano, mit dem er einen Panettone aß, den er, Verdiani, eigens zu diesem freudigen Anlass mitgebracht hatte.
Aus dem Urteilsspruch des Schwurgerichts Viterbo am
3. Mai 1952 im Prozess gegen die Bande Giuliano nach dem
Blutbad in Portella della Ginestra
77. Muss man jede Festnahme eines hochrangigen Mafioso als das Ergebnis eines Kuhhandels betrachten?
Jede Festnahme folgt einer eigenen Dynamik. Einige sind die logische Konsequenz transparenter Ermittlungen, andere sind Ausdruck heimtückischer Intrigen. Einige bergen ein Geheimnis, andere demonstrieren nur die Macht des Staates: eines Staates, der sich nach den Anschlägen zu Beginn der neunziger Jahre – und zum ersten Mal seit der Einigung Italiens – konsequent dem Kampf gegen die Cosa Nostra widmet. Ohne Zögern und ohne den Wechsel zwischen intensiveren und stagnierenden Phasen, je nach den Umständen und immer und ausschließlich erst nach einem neuen Mord mit einem prominenten Opfer oder nach einem blutigen Anschlag.
Grundlegend verändert hat sich das Szenario des Kampfes gegen die Mafia am 30. Januar 1992, nach den Verurteilungen der Cosa-Nostra-Bosse in der obersten Berufungsinstanz. Danach brach in Sizilien die Hölle los. Am 12. März tötete die Mafia Salvo Lima, den mächtigsten Christdemokraten der Insel. Am 23. Mai tötete sie Giovanni Falcone, am 19. Juli Paolo Borsellino und am 17. September Ignazio Salvo, den engsten Freund des mächtigen Salvo Lima. Ein neuer Vernichtungsfeldzug. Wer ihn initiierte, der wollte das Gedächtnis Palermos auslöschen,
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