Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
die Erinnerung an die mafiosen Machenschaften in dieser Stadt. Auf Freundes- wie auf Feindesseite.
Seit diesen Anschlägen hat der italienische Staat in vielen seiner Institutionen entschiedener gekämpft, als er es – zumindest gegen die militärische Cosa Nostra – jemals zuvor getan hatte.
III Der erste große Schlag gegen die Mafia: der Maxi-Prozess
78. Welche Bedeutung hatte der Maxi-Prozess?
Der Maxi-Prozess brachte die Cosa Nostra erstmals in große Bedrängnis, zugleich ist er das Symbol ihrer schweren Niederlage. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte wurden die Bosse der Cupola gerichtlich verurteilt und die »einheitliche, hierarchische Organisation der Cosa Nostra« vom Kassationsgericht, dem Obersten Gerichtshof Italiens, bestätigt. Die Mafia war also nicht, wie manche glauben machen wollten, eine lose Ansammlung einzelner Banden, die unabhängig voneinander operierten, sondern eine straffe Organisation mit einer klaren Führungsspitze, der Cupola oder Kommission.
Erstmals in Italien wurden Mafiosi nicht aus Mangel an Beweisen freigesprochen, sondern einzig und allein aufgrund der Tatsache verurteilt, dass sie Mafiosi waren, Mitglieder dieser kriminellen Organisation. Der Maxi-Prozess war der erste Sieg des italienischen Staates gegen die Cosa Nostra.
Er begann am 10. Februar 1986 in einem Hochsicherheitsgerichtssaal, dem sogenannten
aula bunker
, der für siebzig Milliarden Lire (rund 40 Millionen Euro) innerhalb weniger Monate nahe dem Ucciardone-Gefängnis in Palermo gebaut worden war. Nach zweiundzwanzig Verhandlungsmonaten und fünfunddreißigBeratungstagen des Richterkollegiums wurde am 17. Dezember 1987 das erstinstanzliche Urteil verkündet: Neunzehn Angeklagte wurden zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt, und über weitere Angeklagte wurden insgesamt 2665 Jahre Haft verhängt; 114 Angeklagte wurden freigesprochen.
In der Berufung am 10. Dezember 1990 wurde die Zahl der lebenslangen Freiheitsstrafen auf zwölf und die der Haftjahre auf 1576 reduziert. Nicht nur die Aufhebung zahlreicher Urteile, auch die Urteilsbegründung der zweiten Instanz war ganz nach dem Geschmack der Mafiosi. Die Tatsache der einheitlichen Organisation, so hieß es jetzt, reiche nicht aus, »um der Kommission die Verantwortung für alle Morde an hochrangigen Persönlichkeiten in Palermo zuzuschreiben«. Wurde das erstinstanzliche Urteil von den Mafiosi als politisch motiviert betrachtet (nach den Hunderten Toten, die sie auf den Straßen Palermos hinterlassen hatten, war kein anderer Schiedsspruch zu erwarten gewesen), so ebnete die Urteilsbegründung der Berufungsinstanz in gewisser Weise den Weg für die Prozesse vor dem Kassationsgericht, um Falcones Anklage in ihrem Aufbau auseinanderzunehmen und seine Ermittlungsarbeit zunichte zu machen.
Mit haarspalterischen Begründungen und Rechtsverdrehungen hatte Richter Corrado Carnevale (Spitzname: der »Urteilskiller«) als Vorsitzender der ersten Strafkammer des Kassationsgerichts Hunderte Urteile aus anderen Prozessen gegen die Bosse von Mafia, Camorra und ’Ndrangheta aufgehoben. Doch 1991 fand am Obersten Gerichtshof ein erbittertes Tauziehen statt, um – letztlich erfolgreich – zu verhindern, dass Richter Carnevale weiterhin automatisch alle Fälle im Bereich der Mafiakriminalität vorgelegt bekam. Am 30. Januar 1992 sprachen die Vereinigten Kammern des Kassationsgerichts im Maxi-Prozess von Palermo das letzte Wort. Der Oberste Gerichtshof erklärte nicht nur die meisten erstinstanzlichen Urteile für rechtskräftig, sondern bestätigte auch die Hauptpunkte von Falcones Anklageschriftzur zentralistischen Struktur der Organisation. Das Urteil bedeutete vor allem eines: Die Mafia existierte, es gab sie tatsächlich.
Am 10. November 1987 zogen wir uns zur Beratung zurück, fünfunddreißig Tage lang, vollständig isoliert von der Außenwelt. Es war zweifellos die langwierigste Urteilsfindung seit Menschengedenken. Unser üblicher Tagesablauf (wir waren zwei Berufsrichter und sechs Schöffen) begann um neun Uhr morgens, um ein Uhr gab es eine Mittagspause, von drei Uhr nachmittags bis acht Uhr abends wurde die Beratung fortgesetzt, bis zum Abendessen […]. Weil es im damaligen Klima durchaus vorstellbar schien, dass man versuchen würde, die Richter und Schöffen zu vergiften, traf das Justizministerium eine Vereinbarung mit einer Firma, die uns einen absolut vertrauenswürdigen Koch zur Verfügung stellte. Er bereitete unsere Mahlzeiten aus frischen,
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