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Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Titel: Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Attilio Bolzoni
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Spitze der Staatsanwaltschaft wurden prominente Juristen wie Giuseppe Pignatone und Michele Prestipino berufen, Ermittler, die auf die organisierte Kriminalität in Sizilien spezialisiert waren. Der Kampf gegen die ’Ndrangheta begann mit dreißigjährigerVerspätung, aber heute kann man wenigstens sagen, dass er begonnen hat. Und es kamen auch die ersten Signale von den kalabrischen Bossen: demonstrative Attentate, nicht explodierte Sprengkörper, die Bedrohung einzelner Staatsanwälte. Die ’Ndrangheta signalisiert damit, dass sie ihre Macht nicht verlieren möchte, dass sie keine allzu gründlichen Ermittlungen wünscht und nicht vor Gericht gestellt werden will. Schlimme Botschaften. Das heutige Kalabrien ähnelt dem Sizilien Ende der siebziger Jahre. Es ist ein gefährlicher Brennpunkt, und es weht ein giftiger und gefährlicher Wind, der »prominente Leichen« (
cadaveri eccellenti
) ankündigt, wie damals in Palermo. Krieg liegt in der Luft.
     
    Von San Luca nach Duisburg. Es sind kriminelle Moleküle, die auseinanderspritzen und sich in der Welt verbreiten. Eine Mafia im verflüssigten Zustand, die sich überall einnistet und an Orten weit entfernt von ihrem Ursprung das alte, elementare und effiziente Organisationsmodell reproduziert. Sie ist aufgebaut wie das Terrornetzwerk al-Qaida, mit einer Tentakelstruktur ohne strategische Führung, aber mit einer organischen Intelligenz und begabt mit einer sozialen Vernunft von enormer, erschreckender Zuverlässigkeit. Darin liegt das Geheimnis der ’Ndrangheta. Alles vollzieht sich in der Spannung zwischen einem fernen, ländlichen und archaischen Hier und einem globalisierten, postmodernen und technologischen Dort.
     
    Aus dem Bericht des Vorsitzenden des parlamen-
    tarischen Antimafia-Ausschusses, Francesco Forgione,
    19. Februar 2008
     
    Hundertdreiundvierzig Gruppen (
cosche
) haben eine ganze Region, viele ihrer Gemeinden, Verwaltungen und lokalen Gesundheitsdienste, Häfen und Küsten untereinander aufgeteilt.
    Ganz Kalabrien wird von der ’Ndrangheta »kontrolliert«: Taurianova, Palmi, Locri, Reggio, Rosarno, Villa San Giovanni, Lamezia Terme. Die Autobahn Salerno-Reggio ist das längste Corpus delicti der Welt: An jedem Asphaltmeter verdient eine
cosca
,an jedem Bauabschnitt ein Boss. Das ist die Mautgebühr, die von der ’Ndrangheta kassiert wird – von einer Mautstelle zur nächsten. Der »Freihafen« von Gioia Tauro, Umschlagplatz für Container- und Schmuggelwaren aller Art, ist weitgehend in der Hand der Familien Piromalli, Molè, Bellocco und Pesce.
    In Kalabrien wurden seit 1991 achtunddreißig Gemeinderäte wegen Infiltration durch die Mafia aufgelöst (in ganz Italien sind es hundertzweiundsiebzig). Doch wie vor einigen Jahren der Antimafia-Staatsanwalt Pietro Grasso feststellte, »muss in einigen Ortschaften wie Africo, Platì und San Luca der Staat versuchen, diese Strukturen zu unterwandern«. In Kalabrien gibt es Bürgermeister, die nur vom
capobastone
Befehle entgegennehmen. Andere nehmen überhaupt keine Befehle entgegen, weil sie selbst
capobastone,
also Oberhaupt einer
’ndrina
, sind.
    Die ’Ndrangheta ist eine lokale und eine globale Mafia. Sie ist mit den kolumbianischen Kartellen verflochten. Sie zählt ihr Geld nicht, sie legt es auf die Waage und rechnet den Wert dann hoch. Allein in Mailand schlagen die kalabrischen Drogenhändler jeden Monat zwanzig Kilo Kokain um. Mailand ist ihre kriminelle Kolonie. Hier gelten die Sizilianer inzwischen nicht mehr viel. Auch im Hafen von Genua haben die Kalabresen Fuß gefasst, sie mischen im Baugeschäft in Bologna mit. Im Aostatal arbeiten sie mit einem bulgarischen Clan zusammen, im Piemont waschen sie ihr Geld im Handel, in Rom in der Gastronomie und im Immobiliensektor.
    Diese Mafia breitet sich überall aus. In Australien haben die kalabrischen Bosse eine eigene sechsköpfige Führungsspitze, eine Cupola, gegründet. In Spanien beherrschen sie den Drogenmarkt von Barcelona bis Gibraltar, ebenso in Deutschland, Österreich und Kanada. Ihre letzte Grenze ist Portugal, strategisch günstig an der Atlantikküste gelegen, von wo aus sie ihren Kokainhandel mit den Kolumbianern, Ecuadorianern und Bolivianern abwickeln. Die ’Ndranghetisti sind im Begriff, die ganze Welt zu kolonisieren, wohin sie auch ihre Gepflogenheiten und ihren Lebensstil exportieren – und sogar versuchen, dieNatur nachzuerschaffen, die sie in Kalabrien zurückgelassen haben.
    In Reggio Calabria und San Luca

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