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Die Mafia kommt zur Geisterstunde

Die Mafia kommt zur Geisterstunde

Titel: Die Mafia kommt zur Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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am Pulloverkragen gesehen? Nein, kein
Blut. Auch nicht Marmelade, Ketchup oder Tinte. Aber es ist haargenau die Farbe
von Nicoles Lippenstift. Ihr könnt das nicht wissen. Aber ich stand ja
nachmittags vor ihr. Dasselbe Rot. Und kein häufiges.“
    Dünner Regen flimmerte in die Straße.
Schwarze Wolken drückten auf die Großstadt. In großer Höhe brummte ein Jet. Man
sah nicht mal das Buglicht. Die Mühle wollte sicherlich landen, hatten
mindestens 70 Passagiere an Bord, und jetzt stand Blindflug bevor. Vielleicht
zitterten etliche. Vielleicht alle, dachte Tarzan — außer dem Flugkapitän.
    „Jetzt verstehe ich, warum du
nachgegeben hast“, sagte Karl. „Mano soll sich sicher fühlen. Damit wir ihn in
Ruhe beschatten können. Damit er uns zu Nicoles Versteck führt.“
    Tarzan nickte.
    „Also keine Polizei?“ fragte Karl.
    „Wir unternehmen nichts. Diese Runde
hat er gewonnen.“
    „Und meine fünf Mark“, nölte Klößchen, „fürs
Nicht-Bräunen!“
    „Ein lächerlicher Betrag“, beschied ihm
Tarzan, „wenn du bedenkst, daß es um einen Brustbeutel voller Diamanten geht.
200 000 Mark kosten die unter Brüdern. Finden wir Nicole, steht uns eine
Belohnung zu. Dann kriegst du die fünf Mark wieder rein.“
    „Wann beginnen wir mit der Beschattung?“
fragte Karl.
    „Am liebsten finge ich sofort an. Aber
heute nacht müssen wir im Adlernest bleiben. Daß wir mit der Strickleiter abhauen,
ist nicht drin. Rowinski hat Nachtdienst. Der kann mich nicht leiden. Als EvD (Erzieher
vom Dienst) läßt er den Knast-Mufti ( Gefängnis-Boss ) raushängen.
Alle halbe Stunde linst er bei uns rein. Und wehe, wir pofen nicht. Ist echt
ein Unglück. Jedenfalls müssen wir die Beschattung auf morgen verschieben.
Glaube nicht, daß es zu spät ist. Wenn die Fiebig ‘ne Biege macht — dann doch
erst, wenn der Fall abkühlt und nicht jeder Streifenpolizist nach ihr sucht.“
    „Logo“, meinte Karl. „Also morgen geht ‘s
los.“

6. Vitamin-Bomben
     
    Oswald Reebmann war hingerissen von
Katja. Zweimal küßte er ihr zum Abschied die Hand.
    „Also, Gunter“, sagte er zu Pölke. „Was
du bisher an Sahnetorten angeschleppt hast, war nicht zum Aushalten. Aber in
Katja könnte ich mich verlieben. Wirklich, Fräulein Meier, Sie sind Spitze.“
    Sein Ledergesicht strahlte. Mit beiden
Händen strich er sich glättend übers Silberhaar.
    Warum sollte nicht auch ein 70jähriger
wie der Multimillionär Oswald Reebmann bemüht sein, Eindruck zu machen auf eine
junge Person. Er war kernig, immer elegant und sah aus wie höchstens 61. Daß er
außer Gunter Pölke keinen einzigen Verwandten mehr hatte, ärgerte ihn sehr.
Aber er konnte es nicht ändern.
    Jetzt, als er schon in Hut und Mantel
war, um Katjas kleine Wohnung zu verlassen, wo die drei ein tolles Abendessen
eingenommen hatten: schmackig und von ihr selbst zubereitet — jetzt also
verstieg er sich zu einer Geste größter Zuneigung.
    Aus der Brusttasche zog er ein goldenes
Pillendöschen. Er öffnete es und bot Katja den Inhalt an.
    Sie, noch rosig überhaucht ob der
Komplimente, blickte verwirrt auf die lehmbraunen Kapseln, die so groß wie
Saubohnen waren.
    „Nehmen Sie eine!“ ermunterte Reebmann
sie. „Diese Vitamin-Bomben sind das Geheimnis meiner sturmfesten Gesundheit.
Nehmen Sie drei. Ehrlich, das hilft. Gegen alles. Gegen
Weltuntergangs-Stimmung, Krisengerede, kalte Füße und Kater. Morgens, mittags,
abends - jedesmal pfeife ich mir eine rein. Und ich bin gut drauf, wie Sie
merken. Alle Vitamine sind darin, alle Mineralstoffe und noch anderes Zeug.
Mein Vorrat geht nie aus. Zuhause liegt eine Schachtel, eine andere im Büro,
die dritte im Konferenzzimmer, eine im Wagen, eine in der Stadtwohnung und eine
im Ferienhaus. Eichhörnchen-Vorrat. Nehmen Sie!“
    „Nimm nur“, grinste Pölke, der daneben
stand. „Sie helfen nicht, schaden nicht. Man kann sie nehmen. Aber im Geschmack
reichen sie an deine Nachspeise nicht ran.“
    „Danke!“
    Katja lächelte und nahm eine der
Kapseln.
    „Schlucken!“ befahl Reebmann. „Wasser
nachtrinken. Sie sind etwas groß. Wenn sie einen engen Schlund haben. Fräulein
Meier, können sie die Kapseln öffnen — wie Sie sehen, sind die Hälften nur
ineinander gesteckt — und den Inhalt auf die Zunge schütten. Die Hülse selbst
ist nicht wichtig. Das ist nur Gelatine.“
    Katja gehorchte, schluckte aber die
Kapsel als ganzes.
    Zum dritten Mal küßte ihr Reebmann die
Hand. Dann putzte er endgültig die Platte, denn

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