Die Mafia kommt zur Geisterstunde
hinreißend, daß
Kavaliere euren Schlages alles Mühselige von mir fernhalten?“
„Weißt du das nicht?“ fragte er
verwundert. „Im übertragenen Sinn... eh... werde ich sozusagen immer bemüht
sein, dich auf Händen zu tragen. Wenn ich, zum Beispiel, verhindere, daß du bei
diesem Sauwetter durch Pfützen und Schlaglöcher radelst und dir die hellblauen
Jeans verferkelst. Himmel, hättest ja auch dunkelblaue anziehen können. Oder
deine braunen Cordhosen. Da fällt der Dreck nicht so auf.“
Lachend kniff sie ihm in die Nase. Ein
älteres Paar, das sich auf dem Weg zur Kirche befand, schmunzelte. So jung
müßte man noch mal sein, dachte der Opa im Vorübergehen. Und er hielt den
Regenschirm über seine Frau, mit der er schon 46 Jahre verheiratet war.
*
Der Himmel hatte alle Schleusen
geöffnet, als Karl und Klößchen durch die Gaisreither-Straße strampelten. Ein
trostloser Anblick. Grau und verlassen.
Karl hatte schon zum dritten Mal seine
Brille geputzt. Aber das half nicht viel. So scharf er auch spähte, Hausnummern
waren nicht zu erkennen, weil es sie nicht gab.
„Mir läuft der Regen zum Kragen rein“,
schimpfte Klößchen, „vorn. Der Reißverschluß schließt nicht richtig. Ich
glaube, meine Semmeln sind schon wie eingeweicht. Das ist wieder ein Tag! Wenig
Schlaf. Kein Frühstück. Gestern 135 Zentner.. ach so. Jedenfalls keine
Erholung.“
„Ehe wir völlig durchnäßt sind“, meinte
Karl, „stellen wir uns mal dort unter.“
Er zeigte zu einem häßlichen Wohnhaus
am Ende der Straße. Von den Mauern fiel der Verputz. Die Fensterrahmen trugen
kaum noch Farbe. Und die Regenrinne war abgebrochen. Nicht mal eine
Luxussanierung ( verschwenderische Umgestaltung) hätte diese verwanzte
Bude gerettet. Aber sie war bewohnt. Hinter den Fenstern hingen Gardinen.
Seitlich vom Haus parkte ein kleiner Wagen.
Daß es sich um Katjas nußbraunen
Renault handelte, checkten die beiden nicht. Klößchen schenkte ihm keine
Beachtung, wollte nur unters Vordach des Eingangs, um endlich in eine
regenweiche Semmel zu beißen. Bei Karl beschlug schon wieder die Brille. Er sah
alles nur in Umrissen.
Unter dem Vordach, das den Eingang
schützte, saßen sie ab. Hier war es trocken. Sie lehnten die Tretmühlen an die
Wand. Fröstelnd rieb Karl die Hände aneinander. Klößchen riß den Reißverschluß
seiner Regenjacke auf und wühlte die Semmeln hervor.
„Sieh dir das an! Weich wie... Als
wären sie gar nicht gebacken. Willst du eine?“
Karl schüttelte den Kopf. „Hab’ schon
gefrühstückt. Sonntags bringt es mir meine Mutter immer ans Bett. Weißt ja, wie
gutherzig sie ist. Ich hatte Rührei mit Speck, Tee, Kakao, selbstgemachtes
Pflaumenmus und...“
„Hör auf!“ befahl Klößchen. „Ich werde
schon ganz schwindelig. Der Hunger nagt an meinem Lebensnerv. Bodybuilder
müssen essen, verdammt nochmal! Was Tarzan sich denkt!“
Karl schob den Kopf vor und luchste in
alle Richtungen. „Wo ist Haus Nr. 107? Hier verfällt alles. Kein Mensch
erneuert die Nummern an den Gebäuden. Möchte mal wissen, wie sich der
Briefträger zurecht findet. Wenn...“
Er verstummte und drehte sich um.
Hinter ihnen wurde die Tür geöffnet.
Auch Klößchen wandte den Kopf.
„Ihr wollt euch sicherlich unterstellen“,
sagte Katja Meier mit freundlichem Lächeln. „Bei diesem Wetter...“
Dann erkannte sie die beiden, und sie
staunte.
„Hallo, Jungs! Kennen wir uns nicht?
Aber natürlich kennen wir uns. Ihr wart gestern abend im Kraft-Center, nicht
wahr? Und da gab ‘s irgendwelchen Ärger mit dem Eintrittsgeld. Ich hab’ nur
nicht gespannt, wieso. Gunter wollte nichts sagen. Ihr seid ja pudelnaß. Wollt
ihr reinkommen?“
„Auf keinen Fall möchten wir stören“,
ächzte Karl. „Wohnen... Sie hier? Oder... ob Ihr Bekannter, der Herr Pölke,
hier vielleicht…“ Er verstummte.
Aber Klößchen ergänzte. „Falls hier das
Haus Nr. 107 ist, ja?“
Zum Glück war der Frau jedes Mißtrauen
fremd. „Ja, hier ist Gunters Wohnung“, sagte sie. „Aber er ist nicht da. Meint
ihr, er hätte was dagegen, wenn ich euch reinbitte? Keine Sorge, das erfährt er
ja gar nicht. Ich mache gerade Ordnung bei ihm.“ Sie lachte. „Er ist ziemlich
schlampig. Nun aber rein mit euch! Und dann will ich wissen, was mit dem
Eintrittsgeld war!“
Im Flur knarzten die Dielen. Die Tapete
hatte Streit mit der Wand und wollte sich lösen. Das Haus roch muffig. Im
Wohnraum standen alte Möbel herum, als warteten sie
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