Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
aber sehr baufällig ist. Einen Steinmetzmeister könnte ich da gut gebrauchen.«
Iven wurde hellhörig. Er war zwar noch kein Meister, konnte aber für seinen Vater als Geselle arbeiten. Das würde er schon hinbekommen. »Ihr meint, Ihr gebt mir einen Auftrag?«
Crosch nickte. »Ja, richtig. Melde dich in einer Woche noch einmal bei mir. Bis dahin müsste alles geklärt sein.«
Als Iven das Arbeitszimmer verließ, wusste er nicht so recht, was er von seinem Gemütszustand halten sollte. Die Zeit des Hungers war wohl vorbei, doch bestimmt ging hier nicht alles mit rechten Dingen zu. In Gedanken vertieft, hätte er die junge Frau auf der Treppe beinahe übersehen. Mit dem Rücken zu ihm gewandt, wischte sie die Stufen. Von ihrer Haube schlängelte sich ein langer, hellblonder Zopf hinunter zu den geschwungenen Hüften.
Als hätte sie seinen Blick in ihrem Rücken gespürt, schaute sie ihn über die Schulter hinweg an. Die dunklen Augen hielten ihn einen Lidschlag lang gefangen. Dann erhob sie sich, wischte die Hände an ihrer Schürze ab und schritt auf ihn zu.
Unfähig, nur ein Wort hervorzubringen, spürte Iven, wie ein Ziehen durch seine Glieder fuhr. Dies war das gutmütige Mädchen vom Aldemarkt, das ihn so reichlich beschenkt hatte.
»Du? Hier?«, fragte sie lächelnd.
Durch Ivens Leib strömte eine wohlige Wärme, und das war die reinste Wonne, wo sich doch in der letzten Zeit die Kälte in seinem Herzen festgesetzt hatte.
»Hat es dir die Sprache verschlagen, oder willst du gar nicht mit mir sprechen?« Das Lächeln auf den Lippen des Mädchens erlosch.
In diesem Augenblick sehnte sich Iven nur noch danach, es wiedersehen zu dürfen. »Verzeih, aber ich dachte gerade an das Festmahl, das ich nach deinem großzügigen Geschenk gemeinsam mit meinen Eltern genießen durfte«, log er, um seine Gefühle zu verbergen. »Weißt du eigentlich, dass ich nicht einmal deinen Namen kenne?«
Das Lächeln kehrte zurück. »Alena heiße ich. Du hattest ein Gespräch mit meinem Gemahl?«
Ihr Gemahl? Iven glaubte, sich verhört zu haben. Sollte diese Magd etwa … Nein, das konnte nicht sein. Sicher verwechselte sie etwas. »Ich hatte ein Gespräch mit dem Herrn des Hauses«, stammelte er irritiert.
»Aber Gotthardt ist mein Gemahl.« Alena kniff die Lippen zusammen, senkte den Blick und schaute auf den Lappen in ihrer Hand. Ihre Wangen hatten sich mit einer leichten Röte überzogen.
»Verzeiht! Ich dachte …« In Ivens Ohren brannte die Hitze der Verlegenheit. »Ich weiß nicht, wie …« Weil ihm die Worte fehlten, drehte er sich auf dem Absatz um und verließ mit langen Schritten das Haus.
Auf der Gasse sog er tief den Atem in die Lungen. Welch ein Tölpel er doch war! Sie für eine Magd zu halten! Aber warum ließ Crosch seine Gemahlin die Treppe wischen und schwere Einkäufe erledigen? Verständnislos schüttelte Iven den Kopf. Doch bald schon ergriff Groll von ihm Besitz. Dieser Crosch hatte die junge Frau nicht verdient. Bei seinem Reichtum konnte er sie doch in die schönsten Kleider stecken und sie den Tag in Gesellschaften verbringen lassen. Stattdessen ließ er sie schuften.
Und dann schlich sich wieder die Kälte in sein Herz. Alena war nicht mehr frei …
»Was ist denn mit dir los, Leni? Auf deinen Lippen liegt das Lächeln einer Irren.« Änni schüttelte Alena am Arm. »He, hörst du mich überhaupt?«
Alena erschrak. Hatte sie wirklich so offensichtlich ihren Gedanken nachgehangen und nicht bemerkt, dass Änni sie beobachtet hatte? »Wie? Was sagst du? Ich habe dir gerade nicht zugehört. Verzeih.«
»Das habe ich gemerkt. Komm, lass uns das Putzwasser ausschütten. Dabei kannst du mir erzählen, was dich so zum Träumen bringt.« Änni erhob sich von der Stiege und glättete mit der Hand ihre Schürze, bevor sie nach dem Henkel des Holzeimers griff.
Alena sprang auf. Unbedingt musste sie Änni erzählen, wohin sich ihre Gedanken verirrt hatten. Aber in Ruhe, am besten unter den Obstbäumen. Seit sie wieder in die grünen Augen des jungen Mannes gesehen hatte, war ihr Herzschlag vollkommen aus dem Takt geraten.
Der Regen hatte sich verzogen und die Sonne zeigte sich. Alena zog die Schuhe aus und schlenderte mit Änni durch den Garten. Warm kitzelte das Gras unter ihren Füßen.
Als die beiden an ihrem Lieblingsbaum angelangt waren, ließ Alena sich seufzend unter seinem Geäst nieder.
»So, nun erzählst du mir aber, was los ist.« Ännis Sommersprossen schienen vor Neugier zu
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