Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
wolkenlosen Himmel, und die Sträucher auf der anderen Straßenseite trugen so viele weiße Blüten, dass es aussah, als hätte es soeben noch geschneit. Ein betörender Duft stieg zu Alena hinauf und ließ sie für einen Augenblick die Einsamkeit vergessen.
In ihrem Bauch drückte schwer das Kind. Manchmal glaubte sie, es nicht mehr tragen zu können. Heute Morgen, als sie auf dem Nachttopf ihre Blase entleert hatte, schwamm ein blutiger Schleimpfropfen darin. Ob das etwas zu bedeuten hatte? Bestimmt stand bald die Geburt bevor, doch Änni war immer noch nicht zurück. Dabei hatte sie fest versprochen, wieder da zu sein, wenn das Kind geboren würde. Doch was war schon gegen den Willen der Schwiegermutter auszurichten? Mergh hatte sich vor acht Wochen auf eine Pilgerreise nach Lourdes begeben und Änni als Leibmagd mitgenommen. Ein weiterer gehässiger Zug von ihr. Wozu brauchte sie eine Leibmagd? Bisher war sie recht gut ohne ausgekommen.
Alena spürte plötzlich ein Ziehen im Bauch und krümmte sich. An ihren Beinen lief Wasser hinunter. Erschrocken schaute sie auf die Pfütze. War ihre Blase etwa doch noch voll gewesen? Nein, das konnte nicht sein. Erneut zuckte ein heftiger Schmerz durch ihren Bauch, und Alena hielt die Luft an.
Das Kind! Es wollte auf die Welt! Verzweifelt biss sie die Zähne zusammen und sah sich in ihrem Zimmer um. Gotthardt war im Haus der Gaffeln und Zilli auf dem Aldemarkt zum Einkaufen. Nur Thomas, der Knecht, war im Haus. Sonst niemand!
Der Schmerz ebbte langsam ab, und Alena verließ das Zimmer, um Thomas zur Hebamme zu schicken. Die Frau sollte auf dem schnellsten Wege zu ihr kommen. Eine maßlose Angst, das Kind allein zur Welt bringen zu müssen, ergriff von ihr Besitz.
Die Hebamme eilte außer Atem ins Zimmer. Offenbar war sie den ganzen Weg gelaufen, doch Alena schien es, als wären bereits Stunden vergangen, seit sie nach ihr hatte rufen lassen. Die Schmerzen kamen nun in immer kürzeren Abständen. Und jedes Mal glaubte Alena, ein Bohrer würde in ihrem Unterleib wüten. Doch nun war sie nicht mehr allein. Tränen der Erleichterung liefen über ihre Wangen, als die Hebamme nach ihrer Hand griff.
»Komm, mein Kind, leg dich hin. Ich habe Thomas schon angewiesen, einen Kessel Wasser zum Kochen zu bringen. Wann kommt Zilli denn zurück?«
Alena ließ sich von der alten Frau zum Bett führen. »Ich weiß es nicht. Manchmal schwatzt sie sich unterwegs so lange fest, dass sie für Stunden fort ist. Besonders dann, wenn Mergh nicht da ist.« Wieder zog sich Alenas Bauch zusammen, diesmal so heftig, dass sie laut aufschrie.
»Ich sehe mal nach, wie weit du schon bist.« Nachdem die Wehe abgeklungen war, half die Hebamme Alena auf das Bett. Dort schob sie die Röcke hoch und schaute ihr zwischen die Beine. »Es wird nicht mehr lange dauern. Du bist bereits zwei Fingerbreit geöffnet.«
Wieder krampfte sich Alenas Unterleib zusammen, und sie schrie aus Leibeskräften gegen die Schmerzen an. Bevor sie das Bewusstsein verlieren konnte, ließ die Wehe auch dieses Mal nach.
Die Hebamme tastete ihren Bauch ab. »Bald müssten die Presswehen einsetzen. Es ist alles in bester Ordnung. Das Köpfchen ist schon in der richtigen Lage.«
»Presswehen? Sind die noch schlimmer?« Alena wollte nicht mehr. Noch mehr Schmerzen konnte sie nicht ertragen. Sie würden sie umbringen.
»Nein, im Gegenteil, aber du wirst sie natürlich spüren.«
Die alte Frau behielt recht. Die erste Presswehe war nicht so schmerzhaft wie die anderen Wehen, doch nun hatte Alena das Gefühl, sie müsste mit aller Macht ihre Eingeweide aus sich hinauspressen. Doch das klappte nicht, es schien, als wäre sie zugenäht. Sie presste und presste und schrie wie am Spieß.
»Da! Ich kann es sehen, das …« Die Hebamme verstummte.
»Stimmt etwas nicht?«, keuchte Alena.
»Doch, doch, es ist alles in Ordnung«, versicherte die alte Frau, aber ihr Blick und ihr leichenblasses Gesicht sprachen eine andere Sprache. Sie schaute wieder zwischen Alenas Beine. »Nur noch einmal pressen, und das Köpfchen ist draußen.«
Kurz nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, überfiel Alena schon die nächste Wehe. Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen und drückte den Kopf aus ihrem Leib und dann, nach einer kurzen Pause, auch den Körper, bis das Kleine zwischen ihren Beinen lag.
Der Gesichtsausdruck der Hebamme war unverändert starr. Sie sprach kein Wort, sondern legte das Kind stumm auf Alenas Brust.
Alena glaubte, ihren Augen
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