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Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)

Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Breuer
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fasste sich in Geduld und wandte den Blick ab. Es widerte sie an, wie dem Mann die Krümel aus dem Mund fielen. Doch wenn er nach der Mahlzeit ein wenig geschwätziger würde, wollte sie gern abwarten. Er hatte eine neue Inquisition erwähnt. Davon hatte sie noch nichts gehört. In diesem Augenblick hätte sie Gotthardt am liebsten geohrfeigt. Warum nur blieb er ihr gegenüber so verschlossen? Neugierig musterte sie Honthumb, der sich nun den Mund mit einem Tuch abwischte. »Ihr sagtet, eine neue Inquisitionskommission sei errichtet worden. Aus welchem Grund denn?«
    »Ganz einfach. Es hat sich herausgestellt, dass die Mitglieder der alten selbst nicht ganz sauber waren.«
    Genau wie du, nur dich haben sie nicht erwischt , dachte Mergh bei sich. Der Mann war mit allen Wassern gewaschen und saß seelenruhig hinter seinem Schreibpult, als könnte ihm niemand etwas anhaben. »Und welche Herren sind auserkoren?«
    »Nun ja.« Honthumb starrte schon wieder voller Gier auf den Kuchen. Es schien ihn seine ganze Beherrschung zu kosten, nicht nach einem weiteren Stück zu greifen. »Einige Bannerherren der Gaffeln und …« – er holte tief Luft – »Gülich.«
    Mergh schaute ihn ungläubig an. »Nein! Doch nicht dieser Aufrührer von den Obenmarspforten! Wer, bitte schön, hat denn diesen Schwätzer in die Inquisition gewählt?«
    »Die Gaffeln natürlich. Gülich findet auch dort mittlerweile so viel Gehör, dass es beinahe unheimlich ist. Doch viele der Ratsmitglieder sind dagegen. Ich übrigens auch. Niemand kann Kläger und Richter zugleich sein.«
    Mergh fächelte sich mit dem Tuch Luft zu. Die Weste des Kaufmannes war zu rein, als dass man ihn mit irgendwelchen Schandtaten erpressen konnte. Dazu hieß es noch, er wäre äußerst bescheiden und der klingenden Münze nicht zugetan. Ihm ginge es einzig und allein um Gerechtigkeit.
    »Ihr entschuldigt mich für einen Augenblick?« Honthumb erhob sich. »Ich muss kurz die Latrine aufsuchen.«
    Mergh nickte. Nachdem der Rentmeister das Zimmer verlassen hatte, sprang sie auf und blätterte in Windeseile durch die Schriftstücke. Plötzlich entdeckte sie Gotthardts Namen auf einem Papier. Sie riss den Bogen aus dem Stapel, faltete ihn zusammen und versteckte ihn in ihrem Mieder. Dann wartete sie, bis Honthumb zurückkehrte, und verabschiedete sich kurz darauf hastig von ihm.
    Mergh hatte das Rathaus kaum verlassen, da zog sie auch schon das Schriftstück hervor. Nachdem sie es gelesen hatte, verkrampfte sich ihr Magen. Ihr Sohn wurde angeklagt, sich den Posten des Syndikus gekauft zu haben. Unterzeichnet hatte niemand Geringerer als der Bannerherr der Gaffel Himmelreich. Mergh traute ihrem Verstand nicht mehr. Die eigene Gaffel stand nicht hinter ihrem Sohn. Daran war sicher dieser Gülich schuld. Mergh kniff die Augen zusammen, raffte die Röcke und eilte zielstrebig über den Aldemarkt.
    Erst als sie an den Obenmarspforten angelangt war, verlangsamte sie ihren Schritt. Sie musste Gülich einen Besuch abstatten. Nur so würde es ihr gelingen, festzustellen, gegen wen sie zukünftig zu kämpfen hatte. Als sie das Haus fast erreicht hatte, beobachtete sie einen Mann, der soeben eine Nachricht unter der Tür her ins Haus schob.
    Mergh hielt den Atem an. Diesen Mann kannte sie nur zu gut. Es war Roder, der Steinmetz. Der miese Hund spielte also falsch mit Gotthardt. »Wart’s nur ab, Bürschchen! So einfach kommst du nicht davon«, krächzte sie leise.
    Das Konzert der Vögel vor seinem Fenster weckte Iven aus einem traumlosen Schlaf. Im Osten kündigte ein Silberstreif am Himmel den Sonnenaufgang an.
    Als ihm schlagartig bewusst wurde, welcher Tag im Begriff war anzubrechen, verfluchte Iven die Sonne. Wäre es ein trüber Tag gewesen, hätte die Siechenschau nicht stattfinden dürfen. Dies war in der Prüfordnung so geregelt, hatte man ihm im Magistrat mitgeteilt. Sobald aber das Sonnenlicht den Tag erhellt hatte, musste er sich auf dem campus leprosi einfinden.
    Die Angst vor dem Ergebnis der Prüfung ließ ihn keinen klaren Gedanken mehr fassen. Da Gülich sich bereits auf der Reise nach Leipzig befand, hatte Iven ihm vorsorglich eine Nachricht hinterlassen, für den Fall, dass er aus der Gemeinde ausgesegnet würde. Seine Eltern und Hans Jorgen wussten nichts von der Untersuchung. Sie würden früh genug davon erfahren.
    Mit einem Mal war Iven erleichtert, dass sein Bruder nach langer Zeit wieder im Haus wohnte. So wären die Eltern nicht auf sich allein gestellt, wenn er

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