Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Kirchenmann schleicht öfter auf dem Hof der Kappesbäuerin herum. Ich darf gar nicht daran denken, was geschieht, wenn er Gabriel entdeckt.«
»Vertrau der Bäuerin. Du hast doch erzählt, dass sie ihr eigenes Kind seit Jahren versteckt. Mit Erfolg, scheint mir. Gib mir Bescheid, wenn du zum Eigelstein willst.«
»Am liebsten würde ich schon morgen gehen. Doch ich will nicht das Misstrauen der Verwalterin wecken. Ich muss ihr jeden Morgen die Schiefertafel zeigen.«
Hinter dem kleinen Fenster verdunkelte sich der Himmel. Schweren Herzens erhob Alena sich von ihrem Stuhl. Wie gern wäre sie die ganze Nacht bei Iven geblieben. Doch allzu spät durfte sie seine Kammer nicht verlassen. Viel zu groß war die Gefahr, dass sie dabei beobachtet und der Verwalterin gemeldet wurde.
»Bis morgen, Iven. Schlaf gut.« Wieder regte sich die Sehnsucht in ihr, von ihm in die Arme geschlossen zu werden. Hastig griff sie nach der Schiefertafel und verließ rasch die Kammer.
17. K APITEL
A lena füllte den Eimer am Brunnen und begab sich zu den Wohnhäusern der Leprosen. Zwei Tage war es nun her, seit sie Gabriel gestillt hatte. Wie sie die Schmerzen in ihren Brüsten noch weitere Tage ertragen sollte, war ihr ein Rätsel. Auch wenn sie versuchte, die Milch auszustreichen, linderte das nur kurze Zeit die Pein.
An diesem Morgen musste sie Theres’ Kammer wischen, und Alena hoffte darauf, die junge Frau nicht anzutreffen. Doch schon auf der Stiege vernahm sie das Weinen der kleinen Sophie. Schweren Herzens öffnete sie die Tür.
Theres lag noch im Bett und schlief tief und fest. Das Jammern der Kleinen schien sie nicht wahrzunehmen.
Alena stellte den Eimer ab, trat an das Säuglingskörbchen und blickte auf das Kind. Das Gesicht war rot wie eine reife Kirsche, pure Verzweiflung schrie ihr daraus entgegen.
Endlich regte sich Theres und blinzelte zu ihr hinüber. »Ich habe dich gar nicht gehört.«
»Ich glaube, die Kleine hat Hunger.«
»Ja, du hast recht. Dabei habe ich sie vor gar nicht langer Zeit gestillt. Aber meine Milch reicht wohl nicht mehr.« Theres’ Wangen in dem pockennarbigen Gesicht waren eingefallen und die Arme, die auf der Bettdecke lagen, dürr wie Hölzchen.
»Du musst mehr essen, damit deine Milch nicht zu dünn wird.« Alena holte das Kind aus dem Körbchen und brachte es zu Theres.
»Ich bekomme einfach nichts mehr hinunter.«
In Alenas Arm schrie Sophie nun aus vollem Hals. Sie war größer als Gabriel, aber kaum schwerer als der Junge. Alenas Brüste begannen zu nässen.
»Ich weiß, sie ist zu mager.« In Theres’ Augen schimmerten Tränen. »Ich bin eine schlechte Mutter, weil ich sie nicht richtig nähren kann. Aber auch mit Ziegenmilch kann ich nicht nachhelfen. Die Verwalterin hat gedroht, dass Sophie ins Kloster muss, wenn meine Milch versiegt«, schluchzte Theres.
»Du bist keine schlechte Mutter, Theres.« Durch Alenas Kopf schoss ein Gedanke. »Darf ich dich etwas fragen?«
Theres nickte weinend.
»Darf ich die Kleine bei mir anlegen?«
Der Blick der kranken Theres hellte sich auf. »Würdest du das tun?«
»Natürlich, warum denn nicht?« Alena setzte sich zu Theres auf die Bettkante und löste die Schnüre ihres Mieders. Im Nu hatte sich Sophie gierig an ihrer Brust festgesaugt. Als die Milch floss, traten Alena Tränen der Erleichterung in die Augen. Warum war sie nicht schon eher auf den Gedanken gekommen?
»Was ist denn mit deinem eigenen Kind?«, fragte Theres leise. »Es ist doch nicht etwa …«
»Nein, mein Sohn lebt.« Wie es schien, hatte die junge Frau das Gespräch damals am Tisch nicht mitbekommen.
»Erzählst du mir, was geschehen ist?« Theres wischte sich die Tränen von den Wangen und setzte sich auf.
Alena bemerkte, dass die Schwellungen in ihrem Gesicht größer geworden waren. Die Sieche schien bei ihr rasch voranzuschreiten, schneller als bei Fyen oder Bloitworst. Oder bei … Sie verdrängte den Gedanken rasch.
Alena zögerte, Theres die wahre Geschichte zu erzählen. Doch dann sah sie der sterbenskranken Frau in die Augen und entschloss sich, ihr Schicksal nicht vor ihr zu verbergen.
Theres hörte aufmerksam zu. Hin und wieder schüttelte sie ungläubig den Kopf. »Das hätte ich nicht gedacht. Du bist so stark. Andere Frauen wären daran zerbrochen.«
»Ich bin nicht stark, Theres. In meinem Herzen sieht es ganz anders aus.« Alena strich der kleinen Sophie über das dunkle Haar und dachte daran, wie ihr Leben verlaufen würde, wenn auch Gabriel
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