Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
»Hat er nach meinem Sohn gefragt?«
»Nein, warum sollte er? Er weiß doch gar nichts von ihm.« Mettel verzog die Lippen und rührte in dem Brei.
»Diederich ist die Treppe hinuntergestürzt und macht mich für sein Unglück verantwortlich.«
»Der sollte lieber seinem Suff die Schuld geben.« Ungerührt füllte Mettel den Grießbrei in Schalen und rief lauthals nach Mann und Kindern.
Alena spürte den Hunger in ihrem Magen. Vor lauter Sorge hatte sie am Morgen keinen Bissen hinunterbekommen. Gabriel an ihre Brust gedrückt, beobachtete sie, wie sich Mettels Kinder laut plappernd an den Tisch setzten. Erst als auch Knütterhens sich dazugesellte, verstummten sie und aßen, ohne vorher das Tischgebet zu sprechen. Alena dachte unwillkürlich an die Worte ihres Vaters: Wer ohne ein Gebet das Mahl zu sich nimmt, begibt sich wie ein Schwein an den Trog.
Sie schaute wieder zu Mettel, die ihr weder Platz noch Schale anbot. Doch das wunderte sie nicht.
Um nicht wie gebannt auf den Tisch zu starren, trat Alena nach draußen auf den Hof. Die Sonne schien ihr warm ins Gesicht, und der Wind trieb den Geruch von Ziegenmist vor sich her. Alena lehnte sich an das Gatter des Pferches und betrachtete die Wolkenfetzen, die am Himmel dahinzogen. Wie sollte es nur weitergehen? Gott musste doch seine Hand über Gabriel halten. Er war sein Schützling. Aber wie es schien, hatte Mettel den Herrn von ihrem Hof verbannt. Wenn er hier nicht gegenwärtig war, wie sollte er dann über Gabriel wachen können? Vielleicht sollte sie den Kleinen doch auf dem Leprosenhof verstecken. Dann dachte sie plötzlich erneut an ihren Vater. Ob er tatsächlich ein Stern geworden war und alle Geschehnisse vom Himmel aus verfolgte? Tränen traten ihr in die Augen, und sie fragte sich, ob sie wohl zu ihrem Vater beten durfte.
Mettel trat aus dem Haus, leckte sich mit der Zunge über die Zähne und spuckte aus. »Was starrst du Löcher in den Himmel?«
»Ich fürchte, dass Diederich Gabriel verraten könnte.«
»Sei ohne Sorge. Dein Sohn ist bei mir in guten Händen. Niemand wird ihn zu Gesicht bekommen. Bald habe ich dein Gejammer satt, Mädchen. Traust du mir etwa nicht zu, dass ich gut genug auf ihn achtgebe?« Der Blick der Bäuerin verfinsterte sich.
»Verzeih mir, Mettel. Natürlich habe ich Vertrauen zu dir.« Alena strich Gabriel mit dem Finger über die rosigen Wangen und legte ihn der Bäuerin in den Arm. »Ich kann nicht länger bleiben, aber sobald sich die Gelegenheit ergibt, komme ich wieder.«
»Ist gut. Vergiss das Kostgeld nicht.« Mettel hielt Gabriel im Arm wie einen Schatz, den sie nicht mehr hergeben wollte.
18. K APITEL
G otthardt brach das Siegel und überflog die Zeilen. Geplänkel, das ihm die Zeit raubte, mehr war es nicht, was dort in dem Schreiben der Inquisitionskommission stand. Achtlos warf er das Papier auf den Arbeitstisch und lehnte sich gelangweilt in seinem Stuhl zurück.
»Was steht denn drin?« Mergh griff nach dem Bogen und überflog ihn.
»Nichts von Bedeutung.«
Auf Merghs Stirn vertieften sich die Falten. Heftig schlug sie sich mit der Hand auf die Brust. »Nichts von Bedeutung? Hast du den Verstand verloren? Immerhin wirst du aufgefordert, augenblicklich vor der Kommission im Rathaus zu erscheinen. Noch am heutigen Tag.«
»Macht bitte kein Drama daraus. Was wollen sie mir schon anhaben? Nichts. Ich habe eine reine Weste.«
Mergh lachte schrill auf. »Eine reine Weste? Na, du hast vielleicht ein sonniges Gemüt.«
Erhobenen Hauptes trat Gotthardt an das Fenster. »Den Bürgermeister habt Ihr bestochen, Mutter. Vergesst das nicht.«
Mergh warf ihm das Schreiben vor die Füße. »Du willst mir allein die Schuld in die Schuhe schieben?«
»Ich wusste doch von alldem nichts.« Gotthardt schob die Unterlippe vor, griff sich ins Haar und zwirbelte eine Strähne zwischen seinen Fingern. Den Posten des Syndikus hatte er nie angestrebt. Und nun? Was hatte er ihm denn gebracht? Das neue Haus … pah!
»Du würdest mich ans Messer liefern? Das ist doch nicht dein Ernst!« Mergh schnappte nach Luft. »Nein, mein Sohn! So einfach ist das nicht. Schließlich hast du selbst genug Dreck am Stecken. Denk nur an den Steinmetz.«
»Dieser lebende Tote? Sein Wort hat kein Gewicht mehr.« Gotthardt steckte den Daumennagel zwischen die Zähne. Er fühlte sich sicher. Was sollte ihm schon geschehen? Den Dämon hatte er aus dem Haus gejagt. Ihm war bereits genug Unheil widerfahren. Plötzlich regte sich erneut der Hass
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