Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Iven. Von ganzem Herzen sehnte sie den Abend herbei, wenn sie unverfänglich bei ihm sein konnte. Er hatte keine Frau, und seine Augen verrieten Traurigkeit. War er verletzt worden? Er wusste von ihrem Kummer, doch sie wusste kaum etwas über ihn.
Iven hatte bereits zwei irdene Becher und einen Krug Bier auf dem kleinen Tisch bereitgestellt, als Alena seine Kammer betrat.
»Warst du schon bei den anderen?« Er blickte auf die Schiefertafel in ihrer Hand.
»Ja, ich habe alle Wünsche notiert.« Nur noch seine fehlten, Alenas letzte Aufgabe für diesen Tag, deren Erledigung ein paar Minuten warten konnte.
Alena setzte sich an den Tisch. Nun war Zeit, sich eine Weile mit ihm zu unterhalten. Es schien ihr, als fiele eine Last von ihrem Herzen, und ein Lichtstrahl würde sich einen Weg hineinbahnen.
Iven goss das Bier in die Becher und setzte sich zu ihr. Gedankenverloren zog er mit der Fingerspitze die Maserung auf der Tischplatte nach.
Alena hob an: »Du weißt so viel von mir, aber ich fast gar nichts von dir. Möchtest du mir von deinem Leben erzählen?«
Iven hob den Blick und schaute ihr in die Augen. Im Nu schlug ihr Herz schneller.
»Vor etwa einem Jahr war ich verlobt. Aber sie hat mich verlassen.«
»Warum?«
»Es war ihr zu viel geworden, sich um meine Eltern kümmern zu müssen. Die beiden sind nicht einfach. Der Verstand hat sie verlassen, und sie machen eine Menge Unfug. Hiltgen war außerdem der Meinung, dass ich zu viel Zeit mit meinen Skulpturen verbringen würde. Vielleicht hatte sie recht. Aber es lenkt mich eben von meinen Sorgen ab, den Steinen Leben einzuhauchen.«
»Und nun? Warum arbeitest du nicht weiter am Stein?«
»Ich darf kein Handwerk mehr ausüben. Nur der Kaufhandel ist den Leprosen gestattet.«
»Aber du könntest doch nur für dich arbeiten. Was ist denn aus deinen Skulpturen geworden?« Alena schmerzte es, ihn so traurig zu sehen. Gewiss würde alles erträglicher, wenn er wieder seiner Leidenschaft nachginge.
»Die Stadtsoldaten haben sie beschlagnahmt.« Iven ballte die Fäuste und erzählte Alena von den Abgaben und den Missständen im Rat. Doch plötzlich brach er mitten im Satz ab. Nachdenklich starrte er auf die Tischplatte. »Es gibt etwas, das du wissen solltest«, fuhr er nach einer Weile fort. »Ich hoffe, du hasst mich nicht dafür.«
»Was ist es denn?« Alena sah ihn neugierig an.
»Dein Mann hat mich für die Arbeiten an eurem Haus aus dem Stadtsäckchen bezahlt. Ich habe das Geld absichtlich genommen, wollte ihn anklagen. Doch daraus wird nun nichts. Als Leproser hat man keinerlei Rechte mehr.«
»Das passt zu Gotthardt.« Vor ihrem inneren Auge sah Alena das verzerrte Gesicht ihres Mannes, während er sie mit der Faustbüchse in der Hand aus dem Haus geworfen hatte.
»Ich habe gegen deine Familie gearbeitet. Wenn du nun nichts mehr mit mir zu tun haben willst, kann ich das verstehen.«
»Meine Familie? Mein Sohn ist meine Familie. Gotthardt gehört bestraft und Mergh auch.« Alena wünschte, die beiden säßen eher heute als morgen im Turm. Dann könnte sie sich endlich wieder frei in der Stadt bewegen und bräuchte sich nicht mit dem Siechenmantel zu vermummen.
Iven griff nach ihrer Hand und sah ihr fest in die Augen. »Du bist mir wichtig.«
»Du mir auch, Iven«, flüsterte sie. »Es gibt niemanden mehr, dem ich wirklich vertrauen kann.«
»Willst du mir helfen?«
»Wobei?« Alena sah ihn erstaunt an.
»Ich würde so gern mit Gülich in Verbindung bleiben.«
Alenas Blick fiel auf die roten Flecken auf seinem Arm. »Wer ist denn Gülich?«
Iven erzählte von dem Kaufmann, der so vehement gegen die Missstände im Rat kämpfte. »Nur durch ihn könnten die Bürger von Köln wieder sorgenfrei leben.«
»Natürlich helfe ich dir, damit du Kontakt zu ihm halten kannst.« Alena strich zaghaft mit den Fingern über Ivens Hand. »Darf ich dich auch um etwas bitten?«
Iven nickte. »Natürlich.«
»Die Verwalterin hat meine freien Stunden am Sonntag versagt. Aber ich muss doch nach meinem Sohn sehen. Kannst du mich nicht in der nächsten Woche damit beauftragen, etwas am Eigelstein abzuholen?«
»Das wird kein Problem sein.« Iven zwinkerte Alena zu. Zum ersten Mal seit sie ihn kannte, schien die Traurigkeit ein wenig aus seinen Augen zu weichen.
»Glaubst du auch, dass Gabriel ein Kind des Dämons ist?« Alena wagte kaum, die Worte auszusprechen.
»Aber nein.« Iven lachte auf. »Wie kommst du darauf? Ich bin doch nicht Gotthardt.«
»Ein
Weitere Kostenlose Bücher