Die Magd von Fairbourne Hall
längst wieder hier sein. Bei diesem Gedanken strich er mit dem Finger wie beiläufig über die Klinge des Säbels an seiner Seite. Seit auf Lewis geschossen worden war, trug er ihn immer bei sich.
Auf den Steinplatten der Arkade erklangen Schritte. Er drehte den Kopf, aber es war nicht Margaret – ein Mann tauchte aus dem Schatten auf. Er trug einen langen Kutschermantel.
Und einen Dreispitz.
Nathaniel stand auf und schlich zur Arkade. Obwohl sein Blut kochte, sagte er kühl: »Guten Abend.«
Abel Preston schrak zusammen. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung, sein Mund stand offen. Doch genauso schnell wurden seine Augen wieder hart und seine Lippen kräuselten sich. »Hallo Nate. Sind Sie das Willkommenskomitee?«
Nathaniel zog seinen Säbel. »Wenn Sie an dieses Willkommen gedacht haben!«
Der andere seufzte. »Ich hatte gehofft, zuerst den Rest meines Geldes zu finden. Ich weiß, dass es mehr war.«
Nathaniel spähte ihm über die Schulter; schließlich konnte er Komplizen mitgebracht haben. »Wo sind Ihre Kumpane?«
»Oh, die entfernen sich nicht so gern so weit vom Meer. Außerdem habe ich ihnen versichert, dass ich diese kleine Angelegenheit sehr gut allein erledigen kann. Ich nehme nicht an, dass Sie mir Gelegenheit geben, das zu tun – auch wenn ich verspreche, danach zurückzukommen und wie ein Gentleman zu sterben.«
»Sie sind kein Gentleman, Sir.«
»Kein Grund, unhöflich zu werden, Nate. Immerhin habe ich Sie nicht getötet, als ich die Gelegenheit dazu hatte, oder? Aber diesmal werde ich Sie töten, wenn Sie sich mir in den Weg stellen.«
»Das tue ich.« Nathaniel hob seinen Säbel.
Der Mann seufzte abermals gelangweilt auf und zog ebenfalls seinen Säbel. Plötzlich blitzte die Klinge auf; Nathaniel konnte gerade noch zurückspringen. Himmel, war der Kerl schnell! Wieder und wieder drang Preston auf ihn ein. Nathaniel parierte, verlor jedoch zunehmend an Boden und konnte sich kaum außerhalb der Reichweite der blitzenden Klinge halten.
Schon bald wurde ihm klar, dass der ehemalige Major noch immer der bessere Fechter war, ungeachtet seiner vielen Übungsstunden mit Hudson. Er würde ihm nicht mehr lange standhalten können. Barmherziger Gott, dein Wille geschehe …
Es war nur ein Gefühl, sagte Margaret sich. Nicht stark oder sicher genug, um zu rechtfertigen, dass sie Mr Hudson oder jemand anders aufweckte. War es dumm von ihr, allein in die Bibliothek zu gehen? Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie erinnerte sich, was Hudson und Nathaniel über den Piraten gesagt hatten, der einen Groll gegen sie hegte. Was, wenn er auf Lewis geschossen hatte und heute Nacht zurückgekehrt war, um ihn endgültig umzubringen? Oder wenn Sterling dort drinnen war, wie in ihrem Traum? Wenn er auf sie lauerte, nachdem der Runner ihm berichtet hatte, dass sie als Hausmädchen auf Fairbourne Hall arbeitete? Würde Sterling einen Mann töten, um zu verhindern, dass sie einen anderen als Marcus heiratete? Wieder überlief sie ein Schauer. Margaret verabscheute diesen Mann, aber für so verdorben hielt sie ihn denn doch nicht.
Langsam drückte sie die Klinke herunter und stieß vorsichtig die Tür auf.
Schwaches Licht und Stille. Als die Tür aufschwang, sah sie zuerst die Pflegerin, Mrs Welch, in einer Ecke des Sofas zusammengerollt, den Mund weit offen, schnarchend. Sie öffnete die Tür weiter, sah Lewisʼ Bett und einen Mann, der sich über ihn beugte und ihm ein Kissen aufs Gesicht presste …
In der Hoffnung, seinen Gegner abzulenken, schnaubte Nathaniel: »Und, heute Nacht kein Gedicht?«
Die beiden Männer umkreisten einander keuchend.
»Ich glaube nicht, dass Sie meine Dichtkunst im Moment zu schätzen wüssten.«
»Das stimmt allerdings.«
»Dennoch, ich versuche es, wenn Sie darauf bestehen …«
Eine flüchtige Sekunde war Preston abgelenkt und Nathaniel stieß zu. Es gelang ihm, seinen Gegner zu überraschen und niederzuwerfen. Preston schlug auf dem Boden auf, war aber noch fähig, seinen Säbel zu heben und Nathaniel abzuwehren.
Plötzlich ertönte eine Stimme: »Lassen Sie Ihre Waffe fallen.«
Nathaniel fuhr herum. Robert Hudson richtete eine Pistole auf den Mann am Boden.
Preston blickte von Hudsons entschlossenem Gesicht auf seine schussbereite Pistole, legte seinen Säbel hin und stand langsam, mit hoch erhobenen Armen, auf. »Aber, aber. Wenn das nicht Robbie Hudson ist, mein ehemaliger Verwalter. Sie würden doch gewiss nicht auf Ihren alten Herrn
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