Die Magd von Fairbourne Hall
schütteln. »Ich bin so froh, Sie zu sehen! Das war aber eine kurze Reise. Was haben Sie herausgefunden?«
Hudson ließ den Kopf hängen. »Tut mir leid, Sir. Ich konnte leider nicht in Erfahrung bringen, wer Mr Tompkins engagiert hat, um Nachforschungen über das Duell anzustellen.«
»Verdammt.« Nathaniel fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, doch dann fiel ihm Hudsons Armesündermiene auf. »Gucken Sie doch nicht so, es ist ja nicht Ihre Schuld!«
Hudson sagte: »Aber ich habe etwas erfahren, das Sie interessieren wird. Es hat den Anschein, als verlöre Ihr Poetenfreund Preston seinen mythischen Nimbus und entwickle sich stattdessen zu einer wahren Pest.«
»Ach?«
»Seine Untaten mehren sich und er geht immer unverschämter vor. In London und in der Admiralität geht das Gerücht, dass er eine Schiffsladung mit Preisgeld der Königlichen Marine, die für Portsmouth bestimmt war, gestohlen hat. Die Marine hat die Belohnung, die Sie ausgesetzt haben, erhöht.«
»Der Kerl ist aber auch wirklich unverfroren. Wann war das?«
»Am fünften November. Und wenn es stimmt, kann Preston nicht der Duellgegner Ihres Bruders gewesen sein, weil er nämlich über achtzig Meilen entfernt in Portsmouth war und die Marine beraubt hat.«
Nathaniel runzelte die Stirn. »Warum tröstet mich dieser Gedanke nicht?«
»Weil das bedeutet, dass wir immer noch nicht wissen, wer es war.«
Nathaniel schüttelte den Kopf. »Wenn er es nicht war und auch nicht Saxby und ich nicht – wer war es dann?«
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30
Weit fort von zu Hause bediente der Kammerdiener
seinen Herrn bei Tisch und lud seine Pistolen.
Edward Heywood, Upstairs and Downstairs: Life in an English Country House
Er ist gekommen, um zu beenden, was er angefangen hat , dachte Margaret und stand wie gelähmt in dem düsteren Krankenzimmer, unfähig, sich zu rühren oder auch nur zu schreien, während ein Mann versuchte, Lewis Upchurch Gift zu verabreichen. Doch Lewis schlief und konnte nicht schlucken. Er schluckte das Gift nicht, wie oft der Mann es ihm auch in den Mund steckte.
Da blickte der Mann zu ihr herüber. Entsetzt erkannte sie, dass es Sterling Benton war.
»Du kannst Lewis nicht heiraten, wenn er tot ist«, sagte Sterling, das Gesicht verzogen vor Anstrengung, während er seinen Finger in Lewisʼ schlaffen Mund steckte. »Jetzt wirst du Marcus heiraten müssen …«
Margaret schlug die Augen auf, von einem Moment auf den anderen hellwach, doch das bestürzende Bild ging ihr nicht aus dem Kopf. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Als ihr schließlich bewusst wurde, dass es nur ein Traum gewesen war, war sie zutiefst erleichtert. Zugegeben, es war ein beunruhigender Traum gewesen, aber sie rief sich zur Ordnung. Lewis geht es den Umständen entsprechend gut , sagte sie sich. Keiner – nicht Sterling, kein Maskierter, kein Pirat – war gekommen, um ihn endgültig umzubringen.
Trotzdem wurde sie ein seltsames Gefühl der Angst nicht los. Auf keinen Fall konnte sie jetzt wieder einschlafen. Sie schlug ihre Decke zurück und stand auf, zog ihren Morgenrock an, schlüpfte in die Hausschuhe und verließ ihre Kammer. Hier oben war es völlig still. Doch das beunruhigende Gefühl ließ nicht nach, im Gegenteil, es nahm zu, wurde stärker und stärker.
Sie stieg die erste Treppe hinunter und blieb stehen, um zu lauschen. Hatte sie etwas gehört? Sie war nicht sicher. Sie ging über die Hintertreppe ins Erdgeschoss. Wie museumsartig still die riesige Halle im Mondlicht wirkte, das durch die hohen Bogenfenster fiel. Nur das Ticken der großen Uhr störte die Stille, maß die Zeit, passte sich ihrem Schritt und ihrem Herzschlag an.
Ihre Füße nahmen wie von selbst den Weg an der Haupttreppe und an Hudsons Büro vorbei über den Marmorboden in die Bibliothek. Dort sollten um diese Nachtzeit eigentlich nur zwei Menschen sein, Lewis und seine Pflegerin. Warum hatte sie dann das Gefühl, nicht allein zu sein? Woher dieser Eindruck unmittelbar drohender Gefahr?
Nathaniel saß draußen auf einer Bank, gegen einen Weidenstamm gelehnt. Von seinem Platz aus konnte er die mondbeschienene Arkade und die Gärten dahinter sehen. Er wünschte sich, Margaret käme heute Nacht heraus, zu ihm.
Leider wurden die angenehmen Gedanken an Miss Macy von dem Gedanken an Lewis und an Prestons Drohung, ihn, Nathaniel, zu Hause heimzusuchen, verdrängt. Auch wenn der Schurke vor fünf Tagen die Marine in Portsmouth beraubt hatte, konnte er inzwischen
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