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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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genießen, an dem er selbst Freude hatte – edle Pferde und gut ausgebildete Hunde, ernsthafte Gespräche und vor allem, Menschen in Not zu helfen. Bei Zigarren schließlich hatte ihre Mutter ihr Veto eingelegt. Im Mädchenpensionat war Margaret später auch den typisch weiblichen Beschäftigungen nachgegangen und hatte sich mit Aquarellmalerei und Modefragen befasst. Doch wenn sie zu Hause war, nahm ihr Vater sie nach wie vor mit auf Ausritte und Besuche bei Gemeindemitgliedern. Was also sollte sie jetzt tun? Sie glaubte nicht, dass jemand sie fürs Reiten oder Malen bezahlen würde und ebenso wenig für Krankenbesuche.
    Beim Gedanken an Essen knurrte ihr der Magen. Wenn sie jetzt doch nur ins Star Hotel gehen, für eine Mahlzeit und ein Zimmer bezahlen und erst einmal drei Tage lang schlafen könnte! Sie seufzte. »Du hast recht. Ich muss mir Arbeit suchen.«
    Joan deutete auf die belebte Straße. »Ich nehme an, der Stellenmarkt liegt in dieser Richtung.« Damit drehte sie sich um und ging los.
    Margaret passte sich ihrem raschen Schritt an. Gemeinsam folgten sie der Menge. Mitten auf der breiten, gepflasterten High Street stand ein von einem Kuppeldach gekröntes Rathaus wie eine Insel zwischen zwei Reihen einander gegenüberliegender Ladenfronten. Auf dem offenen Marktplatz dazwischen wimmelte es von Kaufwilligen, Verkaufsständen, Karren und anderen Gefährten aller Art. Fischhändler und Hausierer priesen unter großem Geschrei ihre Waren und Dienste an.
    »Weiße Steckrüben und zarte Karotten!«, schrie ein Junge; sein Esel trug auf beiden Seiten schwere Körbe.
    An einem Schleifrad hockte ein Mann und rief: »Ich schleife Ihre Messer für dreieinhalb Pence! Schleife Messer und Scheren!«
    Die Türen der Läden in der High Street standen weit offen und die davor ausgestellten Waren trugen noch zur Buntheit und Vielfalt des Marktplatzes bei. Aus einer Bäckerei wurden Körbe mit duftenden goldbraunen Brötchen, würzigem Ingwerbrot und Brotlaiben in allen nur denkbaren Formen herausgetragen.
    Im Schaufenster von Betts, dem Fleischer, waren Gänse, Schweinehälften und Würstchen aufgehängt. Vor dem Laden stand ein Junge und verkaufte den Vorübergehenden Fleischpasteten.
    Die Vorderfront des Krämerladens war gesäumt von Kisten mit Kohlköpfen, Stachelbeeren und den ersten Äpfeln.
    Margarets Magen knurrte schon wieder.
    Fasziniert sah sie von einer Seite zur anderen, um alles aufzunehmen, und wäre beinahe mit einem Mann zusammengestoßen, der ein Fass auf der Schulter trug. Sie entschuldigte sich und merkte plötzlich, dass sie von Joan getrennt worden war. Eilends beschleunigte sie ihre Schritte.
    Am oberen Ende der High Street holte sie sie wieder ein, doch Joan warf ihr nur einen kurzen Blick zu und deutete auf einen offenen Platz vor ihnen, der mit zwischen Fässern gespannten Seilen abgetrennt war. Innerhalb der Absperrung standen mehrere Personen. Zwei rothaarige Mädchen lehnten sich auf Besen, flüsterten mitei­nander und kicherten hinter vorgehaltenen Händen. Eine ältere Frau stand steif da, ein rotes Band über der Brust und einen Löffel in der Hand, und starrte gleichmütig vor sich hin. Auf einem umgedrehten Fass saß ein alter Mann und schnitzte. Neben ihm auf dem Boden kauerte ein schmächtiger Junge, vielleicht acht oder neun Jahre alt, der aussah, als bräuchte er dringend einen Haarschnitt und eine gute Mahlzeit.
    »Was machen sie da?«, flüsterte Margaret.
    »Sie suchen eine Stellung. Haben Sie noch nie einen Stellenmarkt gesehen?«
    Margaret schüttelte den Kopf. Die Szene erinnerte sie vage an die Sklavenmärkte, von denen sie in Pamphleten gegen die Sklaverei gelesen hatte. Sie sagte: »Ich dachte, du würdest die Stellenanzeigen in den Zeitungen durchgehen oder … ich weiß auch nicht, an die Türen vornehmer Häuser klopfen und fragen, ob sie noch ein Hausmädchen brauchen.«
    »An jede Tür in der Stadt? Nicht gerade sehr Erfolg versprechend. Und haben Sie vielleicht Geld für eine Zeitung?«
    Der alte Mann musste ihr Gespräch mit angehört haben, denn er stand von seinem Fass auf, zog etwas aus der Tasche und reichte Margaret eine vielfach zusammengefaltete, schmutzige Ausgabe des Maidstone Journal über das Seil. »Es sind nicht viele, aber Sie können ja mal einen Blick darauf werfen.«
    Margaret dankte ihm und entfaltete die Zeitung, dann lasen sie und Joan die Stellenanzeigen.
    Nach kurzer Zeit seufzte Joan und sagte: »Nichts. Jedenfalls nichts Passendes.« Sie hob

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