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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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den Rock ihres blauen Kleides, trat anmutig über das Seil und stellte sich in den umzäunten Bereich. Dann warf sie Margaret einen Blick über die Schulter zu und fragte: »Und? Kommen Sie jetzt oder nicht?«
    Margaret zögerte. »Ich glaube nicht, dass ein Arbeitgeber dir erlauben würde, mich mitzubringen.«
    »Natürlich nicht. Sie werden schon selbst eine Stelle finden müssen.«
    Es war wie eine Ohrfeige. »Aber … ich tauge nur zur Gouvernante oder vielleicht zur Gesellschafterin. Wie groß sind die Chancen, dass hier so jemand gesucht wird?«
    »Die sind in der Tat sehr gering.«
    Das wusste Margaret auch. Diese Stellungen – die einzig akzeptablen für Töchter aus gutem Haus, wurden meist mit Bekannten oder armen Verwandten besetzt; allenfalls nahm man hin und wieder die Hilfe einer Agentur in Anspruch oder gab eine Anzeige auf.
    »Was kann ich denn sonst noch?«
    Joan rollte mit den Augen. »Das weiß ich auch nicht.« Dann fügte sie widerwillig hinzu: »Aber Sie sind clever und können sicher alles lernen, was Sie wollen.«
    Joan öffnete ihren Koffer und nahm eine große Bürste heraus. Margaret blickte von der Bürste zu dem Löffel und dem Besen, die die anderen hoffnungsvollen Arbeitsuchenden in den Händen hielten. Was hatte sie, um ihre Fähigkeiten – welche auch immer das sein mochten – anzuzeigen? Margaret war gebildet, doch außer dem Neuen Testament ihres Vaters besaß sie kein Buch, um auf diese Tatsache hinzuweisen in der Hoffnung, dass die Augen irgendwelcher eine Gouvernante suchender Eltern zufällig darauf fielen. Und womit würde eine Gesellschafterin sich ausweisen? In der Kleidung, die sie im Moment trug, konnte sie wohl kaum jemand überzeugen, dass sie fähig war, Kinder zu erziehen oder einer älteren Verwandten Gesellschaft zu leisten.
    »Könnte ich als Zofe arbeiten?«, fragte sie Joan.
    Joan warf ihr einen Seitenblick zu. »Können Sie frisieren?«
    »Ich habe oft meine Schwester frisiert. Außerdem kann ich nähen und gut lesen. Und ich kenne mich mit der neuesten Mode aus.«
    Joan schüttelte langsam den Kopf. »Die Chance, dass Sie hier eine Arbeit als Zofe finden, ist genauso groß wie die, dass Sie als Gouvernante oder Gesellschafterin eingestellt werden. Vor allem so, wie Sie aussehen.«
    Aber Margaret wagte nicht, ihre Verkleidung abzulegen. Dafür befand sie sich immer noch zu nah an London, in der Hauptstadt einer Grafschaft, in der lebhafter Durchreiseverkehr herrschte. Es war zu gefährlich, hier als sie selbst aufzutreten. Margaret Macy auf einem Stellenmarkt, auf Arbeitssuche? Unvorstellbar.
    Sie öffnete ihren Pompadour und zählte wieder einmal die wenigen Münzen, die ihr noch geblieben waren. Ihr Mut sank. Sie hatte kein Geld, um die Nacht in einem Gasthaus zu verbringen, und auch nicht genug, um ihre Reise fortzusetzen oder nach London zurückzukehren. Sie stellte ihre Reisetasche auf eine Bank, öffnete sie und betrachtete noch einmal ihren dürftigen Inhalt. Dann nahm sie den einzigen Gegenstand heraus, der als Symbol für das dienen konnte, was sie beherrschte: eine Haarbürste.
    Sie schloss die Tasche wieder und trat über das Seil.
    Die beiden rothaarigen Mädchen wurden als Erste engagiert, von zwei Männern, die jedoch eher an ihrem devoten Wesen und den üppigen Dekolletés als an ihrer Qualifikation interessiert zu sein schienen. Die alte Köchin stand noch immer da und starrte grimmig vor sich hin. Allmählich tat sie Margaret leid.
    Ein Gastwirt heuerte den schmächtigen Jungen als Träger an. Das resignierte Nicken, mit dem der Junge die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen akzeptierte, tat Margaret im Herzen weh, aber vielleicht bildete sie sich die zitternden Lippen und das tapfer vorgereckte Kinn ja nur ein. Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie es wäre, wenn ihr Bruder Gilbert in so jungen Jahren Arbeit suchen müsste. Der Gedanke schmerzte; sie sprach rasch ein stilles Gebet für den unbekannten Jungen.
    Am Spätnachmittag, als die Sonne unterzugehen begann, verstummten die typischen Marktgeräusche – die Rufe der Hausierer, das Feilschen, das Gackern der Hühner, das Quietschen der Schweine – allmählich.
    Margaret sah Joan an. »Wie lange dauert der Markt?«
    »Nicht mehr lange, denke ich.«
    Der alte Mann sagte: »Normalerweise bis kurz nach vier. Sieht so aus, als müssten wir es nächste Woche noch mal versuchen.«
    Nächste Woche ?
    Eine würdig aussehende ältere Dame in strenger schwarzer Kleidung, hohem weißem Kragen und

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