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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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sie die Stadtmitte hinter sich gelassen hatten, beschleunigten sie das Tempo. Die Straßen wurden schlechter, doch das schien dem Kutscher nichts auszumachen; er nahm seine Peitsche und trieb die Pferde an. Margaret schickte ein stummes Gebet zum Himmel und klammerte sich fest. Die schlingernde Kutsche rumpelte über die holprige Straße, sodass sie fürchtete, das bisschen Frühstück, das sie zu sich genommen hatte, wieder hergeben zu müssen. Einem Mann flog der Hut weg, eine Böe zerrte an ihrer Haube und ihrer Perücke. Sie wollte gar nicht daran denken, wie beißend kalt der Wind hier oben im Winter sein musste. Sie riskierte es, ihre Hand gerade lange genug vom Geländer zu lösen, um die Bänder ihrer Haube fester zu binden, dann packte sie erneut das Geländer. Bei jeder Kurve drohte die Kutsche zu kippen und der Soldat wurde gegen sie gepresst. Er brauchte dringend ein Bad.
    Die Kutsche hielt mehrmals an, um Zollgebühren zu entrichten. Der höfliche Soldat beugte sich zu ihr hinüber und sagte: »Ich persönlich ziehe es vor, mit der Royal Mail zu reisen. Die müssen nicht anhalten und Zoll bezahlen.«
    Margaret nickte verständnisvoll, doch eigentlich begrüßte sie die kurzen Zwischenstopps. Sie gaben ihr jedes Mal ein paar Minuten Zeit, ihre schmerzende Hand zu reiben und den Sitz ihrer Perücke und ihrer Brille zu prüfen. Joan, fiel ihr auf, ertrug die Fahrt ohne ein Wort der Klage.
    Margaret beugte sich vor, zwang sich zu einem Lächeln und sagte zu ihr: »Könnte schlimmer sein. Wenigstens regnet es nicht.«

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
5

    Dienstboten, die sich auf einem Stellenmarkt präsentierten, stellten sich mit bestimmten Abzeichen zur Schau, die ihre speziellen Fähigkeiten auswiesen. Köchinnen zum Beispiel trugen ein rotes Band und hielten eine Suppenkelle in der Hand, Hausmädchen trugen blau und hatten einen Besen dabei.
    Pamela Horn, The Complete Servant, 1825
    Nach einigen Stunden kam Maidstone in Sicht, der Verwaltungssitz der Grafschaft Kent. Anfangs passierten sie noch Hopfenfelder und Kirschpflanzungen, dann entdeckte Margaret auf der anderen Seite des Medway bereits Papierfabriken, Fachwerkbauten und eine imposante Kirche mit hohen Bogenfenstern und einem schlossähnlichen Turm.
    Die Kutsche ratterte über die Brücke. Am Flussufer vertäut lag ein Frachtkahn, von dem Kornsäcke auf einen Wagen verladen wurden. Dann trabten die Pferde eine Straße hinunter und Margaret blickte auf Läden, Gasthäuser und eine Armenschule hinunter. Im Vorbeifahren las sie die Schilder: Gegan, Carver & Gilder, Miss Sarah Stranger, Ladiesʼ Boarding and Day School, The Queenʼs Arms.
    Die Wache blies das Ankunftssignal und der Kutscher hielt vor dem Star Hotel, einem roten Ziegelbau. Die Herbergsleute kamen herausgelaufen, um die Pferde zu versorgen; die Wache sprang von ihrem Sitz. Margaret nahm die Hand, die der Mann ihr bot, und kletterte vorsichtig hinunter. Ihre Handknöchel schmerzten vom Festklammern, ihre Beine waren ganz wackelig. Der Soldat reichte ihr die Reisetasche und Joans Koffer herab und sprang dann selbst hinunter, tippte sich an die Mütze und wünschte ihnen alles Gute.
    Margaret sah sich um. Das war also Maidstone, etwa fünfzig Meilen von London entfernt – nicht weit genug, dachte sie. Und warum kam ihr der Name der Stadt eigentlich bekannt vor? Sie war noch nie hier gewesen und glaubte auch nicht, dass sie Verwandte in der Nähe hatte. Wie froh wäre sie, wenn sie einen wohlmeinenden entfernten Verwandten an diesem Ort hätte, von dem Sterling nichts wusste und der sie aufnehmen und verstecken könnte! Doch ihr fiel beim besten Willen niemand ein.
    Margaret richtete ihre windzerzauste Haube und sah Joan an. »Und wie gehtʼs jetzt weiter?«
    »Ich habe vor, mir Arbeit zu suchen«, sagte Joan trocken. »Ich empfehle Ihnen, das Gleiche zu tun.«
    Margaret krümmte sich innerlich. Sie musste einen Weg finden, für ihre Unterkunft zu bezahlen, doch sie hatte keine Ahnung, welche Art Arbeit sie verrichten könnte, von feinen Handarbeiten einmal abgesehen. Sie war lange Zeit das einzige Kind gewesen, bis etliche Jahre später Caroline und Gilbert zur Welt kamen, und ihr Vater hatte sie eher wie einen geliebten Sohn denn wie eine ausschließlich auf Heim und Herd beschränkte Frau behandelt.
    Stephen Macy, der zweite Sohn wohlhabender Eltern, war in den kirchlichen Dienst getreten, nachdem sein älterer Bruder den Familiensitz geerbt hatte. Er hatte Margaret dazu erzogen, alles zu

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