Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
Vom Netzwerk:
Herbergsgäste prüften das Geschirr der Pferde. Ein amtlich wirkender Mann in rotem Paletot und Hut öffnete den Schlag und half einer Matrone und ihrem jungen Schützling hinein. Die Tür wurde zugeschlagen und ein muskulöser dunkelhäutiger Mann begann Fässer an der Seite der Kutsche festzubinden.
    Auf der gelben Kutsche stand in großen, auffälligen Lettern der Bestimmungsort, darunter in kleinerer Schrift die Orte, an denen sie Zwischenstopps einlegen würde. Vier Passagiere saßen auf dem Dach, ein weiterer hatte neben dem Kutscher Platz genommen. Der Wachmann stieg auf seinen Platz hinten auf der Kutsche und blies in sein langes Horn.
    Joan führte Margaret auf die Vorderseite der mit Schindeln gedeckten Herberge, zu einem vorspringenden, halbkreisförmigen Bau, auf dessen Schiebefenster das Wort »Büro« gemalt war. An den Außenwänden hingen Tafeln, auf denen die Strecken und die Abfahrtszeiten verzeichnet waren.
    »Wohin, Miss?«, fragte Joan und studierte die Tafeln.
    Margaret runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich weiß nicht …«
    »Wie viel Geld haben Sie?«
    Margaret zählte die Münzen in ihrem Pompadour, biss sich auf die Lippen und nannte die armselige Summe.
    Joan trat an das Bürofenster und wandte sich an den Beamten dahinter.
    »Hallo. Wir beide reisen zusammen.« Sie legte die Münzen vor ihn hin. »Wie weit kommen wir damit?«
    Der Beamte starrte sie einen Augenblick an, ohne zu antworten. Margaret fiel auf, dass eines seiner Augen milchweiß war. Dann zog er mit ausdruckslosem Gesicht einen Halbkreis auf einer Karte, die auf der Theke lag. Margaret blickte über Joans Schulter auf den kleinen Kreis, den er um London gemalt hatte. Wahrlich nicht weit.
    »Die Postkutsche kostet zwischen zwei und vier Pence die Doppelmeile. Die Royal Mail ist schneller, kostet aber auch mehr und fährt erst heute Abend ab.«
    Joan sagte: »Wir würden lieber … ich meine, wir möchten gern so schnell wie möglich abreisen.«
    Er wandte seinen milchigen Blick von Joan zu Margaret. »Die Northampton-Linie bringt Sie für eine Krone bis nach Dunstable, wenn Sie einen Außenplatz nehmen; der ist billiger. Sie fährt in zwanzig Minuten los, die Kutsche nach Maidstone bricht in dreißig Minuten auf.«
    Joan sah sie an. »Welche nehmen wir, Miss? Norden oder Süden?«
    Margaret überlegte rasch. Ihre alte Heimat, das Dorf Summerfield, lag im Süden, allerdings ein Stück außerhalb des Kreidekreises. Würde Sterling sie dort suchen? »Süden.« Sie zögerte. »Es sei denn, du willst lieber nach Norden?«
    »In Maidstone gibt es einen Stellenmarkt, habe ich gehört«, sagte Joan. »Es passt mir also gut.« Sie senkte die Stimme. »Aber vergessen Sie nicht, Sie sind es, die die Stadt verlassen müssen. Wenn wir erst einmal aus London heraus sind, gehen Sie Ihren Weg und ich meinen. Verstanden?«
    Margaret fühlte sich von den scharfen Worten ihres einst so fügsamen Mädchens zurechtgewiesen, nickte jedoch nur. Sie brauchte Joan und konnte nicht riskieren, sich mit ihr zu überwerfen.
    Joan wandte sich wieder an den Mann. »Zweimal Maidstone, bitte.«
    Er nahm das Geld, gab ihnen ihr Wechselgeld heraus und ließ sie ein. »Ihr Kutscher heißt Marsh.«
    Sie würden also nach Süden fahren. Nicht bis Summerfield, aber doch so weit ihr bisschen Geld sie brachte.
    Eine halbe Stunde später saß Margaret zum ersten Mal in ihrem Leben auf einer Bank oben auf einer Postkutsche, auf einem Außensitz. Sie griff nach dem Metallgeländer und klammerte sich so fest an, dass ihre Knöchel schmerzten; dabei waren sie noch nicht einmal abgefahren. Vor ihr saß der Kutscher mit seinem hohen Zylinder und dem Kutschermantel. Neben ihr saß ein Soldat; auf seiner anderen Seite hatte Joan Platz genommen.
    Der Soldat drehte seine Wange zuerst Joan, dann Margaret zu und führte ihnen auf diese Weise eine lange Narbe vor. »Sehen Sie mal! Nicht aus dem Krieg, von der Peitsche eines Kutschers.«
    Margaret schluckte und rutschte auf ihrem Sitz zurück, so weit die niedrige lederne Rückenlehne und das Gepäck hinter ihr es zuließen.
    Der Wachmann half dem letzten Passagier beim Einsteigen, dann stieg er selbst hinten auf und blies in sein Horn – zuerst gab er das Signal zur Abfahrt, dann das Signal »Macht den Weg frei«. Margaret zuckte zusammen. Vom Innern der Kutsche aus hatte es nie so laut geklungen.
    Der Kutscher rief den Pferden zu: »Auf, Jungs! Los gehtʼs!«
    Und schon trabten sie die Straßen von Southwark hinunter. Sobald

Weitere Kostenlose Bücher