Die Magd von Fairbourne Hall
nur, dass sie keine Prüfung in diesem Fach machen musste. Auf so etwas hatte man sie in Miss Hightowers Mädchenpensionat nicht vorbereitet.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
8
Nun, weißt du, Sir Thomasʼ Mittel werden ziemlich begrenzt sein, wenn die Besitzungen in Antigua so wenig abwerfen.
Jane Austen, Mansfield Park
Nathaniel traf Helen in ihrem Lieblingssessel im Wohnzimmer an – wo sie, wie er vermutete, einen Großteil ihrer Zeit verbrachte. Er betrachtete das langweilige graue Kleid, das seine Schwester trug, ihr streng zurückgekämmtes Haar und ihre blassen Wangen. Helen war nur ein Jahr älter als er, doch im Moment wirkte sie sehr viel älter als ihre dreißig Jahre.
Sie blickte von ihrem Roman auf. »Wie geht es dir heute?«
Es klang wie die freundlich-gleichgültige Nachfrage eines Bekannten.
»Körperlich? Besser – was ich von meinem Geist und meiner Stimmung allerdings nicht gerade behaupten kann.« Er setzte sich ihr gegenüber aufs Sofa.
»Was hat denn die Flusspolizei gesagt? Besteht Hoffnung, dass sie den Vandalen erwischen?«
Er schnaubte verächtlich. »Einen Mann fangen, den die meisten für eine Legende halten? Was meinst du, wie sie hinter vorgehaltener Hand gelacht haben, als ich zugeben musste, dass Hudson und ich von einem einzigen Angreifer überwältigt wurden. Einem Mann zudem, der behauptete kein Geringer, als der Dichter-Pirat zu sein. Natürlich habe ich ihnen auch den richtigen Namen des Mannes genannt, aber sie haben mir bestimmt nicht geglaubt.«
»Es tut mir leid, Nathaniel.« Sie schüttelte den Kopf. »Wenigstens ist das Schiff nicht verloren. Du kannst es doch reparieren lassen, oder?«
Er war gerade erst zurückgekehrt und wollte sie nicht gleich mit ihren finanziellen Sorgen belasten, deshalb stieß er nur die Luft aus und meinte unbestimmt: »Wir werden sehen. Jetzt lass uns von etwas anderem reden. Wie ist es dir ergangen, während wir alle fort waren?«
»Ganz gut. Und wie ging es Papa, als du abgereist bist? Er ist doch gesund, hoffe ich?«
Wie er diese höflich-zurückhaltende Art hasste, in der sie miteinander umgingen! »Ja. Das wärmere Klima scheint ihm zu bekommen. Er sagt, er würde sein Rheuma kaum noch spüren.«
Helen sah ihn an. »Aber … macht es ihm denn nichts aus, so ganz allein dort zu sein?«
Er zögerte und verkniff sich eine sarkastische Bemerkung über die charmante Witwe, die auf einer nahe gelegenen Plantage residierte und mit der ihr Vater auffallend viel Zeit verbrachte. Angesichts der Tatsache, dass Helen allein lebte, fand er es nicht richtig, das zu erwähnen. Stattdessen sagte er: »Er lebt jetzt schon sehr lange dort, Helen. Er hat viele Freunde gefunden.«
»Und du? Fiel es dir schwer, zurückzukommen?«
Nathaniel dachte einen Moment nach. Sollte er ihr von den immer heftigeren Streitigkeiten zwischen ihm und seinem Vater erzählen? Er sagte: »Im Nachhinein scheint das alles seinen Sinn gehabt zu haben – vor allem angesichts dieses Briefes, den Stephens uns geschickt hat.«
Helen schüttelte den Kopf. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass er wirklich an Vater geschrieben hat. Er hat doch immer betont, dass ein Diener seinen Platz kennen müsse. Nicht zu fassen, dass er sich so über Lewis geäußert hat.«
Nathaniel sah das würdige Gesicht ihres alten Butlers vor seinem geistigen Auge. Er hatte ihnen geschrieben, dass er es für seine Pflicht halte, James Upchurch vom Stand der Dinge auf Fairbourne Hall zu unterrichten und ihn darauf aufmerksam zu machen, dass das große Anwesen, dem zu dienen ihm über zwanzig Jahre eine Ehre gewesen war, im Niedergang begriffen sei. Stephens hatte sich entschuldigt, aber gleichzeitig unumwunden erklärt, dass er nicht länger guten Gewissens in den Diensten der Upchurchs bleiben könne, und hatte gekündigt. Nicht bei Lewis oder Nathaniel, sondern bei ihrem Vater, der in seinen Augen sein wirklicher Herr war, mochte er abwesend sein oder nicht.
»Er war sehr respektvoll, aber natürlich auch bekümmert.«
Helen kräuselte die Lippen. »Trotzdem. Ich hätte ihn für loyaler gehalten.«
Hatte sie denn wirklich überhaupt keine Ahnung? »Helen, der Mann war seit sechs Monaten nicht mehr bezahlt worden! Er hat den anderen Dienern ein Viertel ihres Lohns von seinen eigenen Ersparnissen gegeben, weil er verhindern wollte, dass der Ruf der Upchurchs Schaden nimmt.«
Sie starrte ihn an. »Das wusste ich nicht. Wenn Lewis es gewusst hätte, hätte er ganz bestimmt etwas
Weitere Kostenlose Bücher