Die Magd von Fairbourne Hall
pflegte dennoch stets zu sagen, was er dachte.
Als Nathaniels Vater seinem Sohn den Auftrag gab, nach England zurückzukehren und auf Fairbourne Hall nach dem Rechten zu sehen, hatte er Hudson überredet, ihn als sein Verwalter zu begleiten. Wenn das Mrs Budgeon und diesem Laffen von Butler nicht passte, war ihm das herzlich gleichgültig. Hudson würde den Leuten mit Bescheidenheit und Kompetenz vorstehen – eine seltene Kombination, die sich Nathaniel, wie er hoffte, eines Tages selbst aneignen würde.
Nathaniel trank seinen Kaffee aus und stellte die Tasse ab. »Ich will Ihnen beileibe nicht dreinreden, was die Dienerschaft betrifft, Hudson, aber ich bin neugierig. Mrs Budgeon hat sich bei meiner Schwester beklagt, weil Sie ein Hausmädchen eingestellt haben, ohne sie zu Rate zu ziehen.« Er hob eine Hand, bevor Hudson protestieren konnte. »Ich vertraue Ihnen vollkommen, aber noch vor zwei Tagen haben Sie mir gegenüber die Absicht geäußert, alle Entscheidungen bezüglich der weiblichen Dienerschaft ganz der Haushälterin zu überlassen.«
»Ich weiß, Sir. Aber ich habe gestern auf dem Markt völlig unerwartet eine Perle gefunden.«
»Ach ja?«
»Erinnern Sie sich noch an das Mädchen, von dem ich Ihnen erzählt habe? Die, die mich gewarnt hat, als ich in der Nähe der Docks angehalten habe, um nach Ihnen zu sehen?«
Nathaniel runzelte die Stirn bei der Erinnerung. »Bei Ihrer wilden Fahrt bin ich vom Sitz gefallen.«
»Wie auch immer, Sir, dieses Mädchen habe ich gestern auf dem Stellenmarkt in Maidstone gesehen. Sie sah richtig jämmerlich aus, wie sie da ganz allein stand, nachdem alle anderen schon nach Hause gegangen waren.«
»Sie haben sie eingestellt, weil sie Ihnen gesagt hat, dass Sie weiterfahren sollen?« Nathaniels Stimme klang ungläubig und amüsiert zugleich.
»Sie erinnern sich nicht mehr an den Abend, Sir, Sie waren zu benommen von dem Laudanum, das der Arzt Ihnen gegeben hatte. Sie haben nicht gesehen, wie diese Halsabschneider mit bösen Absichten auf uns zukamen. Sie hätten uns mit Sicherheit überfallen und ausgeraubt. Und genau das hat sie mir nicht nur zugerufen, sie hat dem Anführer der Bande auch noch die Tür ins Gesicht gerammt, als er uns schon beinahe eingeholt hatte. Das Letzte, was ich gesehen habe, bevor wir um die Ecke bogen, war, wie die drei üblen Kerle versucht haben, die Tür des Hauses, aus dem sie kam, einzutreten. Und als ich sie gestern wiedersah, fürchtete ich, dass sie vielleicht unseretwegen fliehen musste.«
»Hat sie London deshalb verlassen?«
»Ich glaube ja.«
»Hmmm … Seltsam, dass sie gerade hierhergekommen ist, oder nicht?«
Hudson zuckte die Achseln. »So seltsam auch wieder nicht. Maidstone hat einen ständigen Stellenmarkt und ist nicht weit von London entfernt.«
»Mag sein.«
Hudson zog eine Grimasse. »Meinen Sie, ich habe Mrs Budgeon sehr verärgert?«
Jetzt war es an Nathaniel, die Achseln zu zucken. »Die Frau ist sehr sachlich, sie wird darüber hinwegkommen. Vorausgesetzt, Ihr Mädchen ist eine gute Arbeiterin und kennt den Unterschied zwischen einer Haarbürste und einem Schornsteinbesen.«
Margaret stand im Flur des Souterrains und sah auf Bettys Stummelfinger und ihre kräftigen, von dicken Adern durchzogenen Hände, die eine Bürste nach der anderen auf den schmalen Tisch legten.
Betty drehte sich zu ihr um. »So, und jetzt sag mir den Namen jeder einzelnen Bürste und beschreibe ihre Verwendung, bitte.«
Margarets Mund war plötzlich wie ausgetrocknet. Vor ihr lagen Bürsten jeglicher nur denkbaren Art. Mit langen Borsten, mit kurzen, drahtigen Borsten, mit winzigen Borsten, mit Federn und noch ganz andere. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie hießen und wofür sie gebraucht wurden.
Sie fing an: »Nun, die mit den Federn ist natürlich zum Abstauben, und … äh …« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Weißt du, Mrs Budgeon hat gesagt, ich solle gar nicht erst versuchen, alles so zu machen wie in meiner früheren Stellung. Deshalb ist es vielleicht besser, du zeigst mir, wie die verschiedenen Bürsten hier auf Fairbourne Hall benutzt werden.«
Betty beäugte sie einen Moment, dann seufzte sie. »Na gut.« Sie nahm eine Bürste nach der anderen in die Hand. »Bilderbürste, Schuhbürste, Herdbürste, Tellerbürste, Ofenrohrbürste, Bücherbürste, Polsterbürste, Treppengeländerbürste, Teppichbürste, Wandbürste, Bettenbürste …«
Schon bald drehte sich Margaret der Kopf. Sie hoffte
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