Die Magd von Fairbourne Hall
Haus und dergleichen mehr auszugeben .« Sein Magen rebellierte erneut, als Nathaniel an die vielen Rechnungen dachte, die er nach seiner Rückkehr in London vorgefunden hatte.
Während er schwieg, fuhr Helen fort: »Vielleicht hätten wir ein bisschen sparsamer sein sollen, aber woher sollte Lewis das Geld nehmen, um die Diener zu bezahlen? Du erwartest doch wohl nicht, dass er arbeitet!«
Nathaniel sagte: »In den letzten Monaten wurden die Pachtzahlungen nicht eingetrieben, das hätte er durchaus tun können. Jetzt werden Hudson und ich uns um alles kümmern. Wenn dieser verdammte Preston nicht die Hälfte von unseren Einnahmen gestohlen hätte, wären wir dem Ziel, unsere Finanzen in Ordnung zu bringen, schon etwas näher. Ich bin nur froh, dass ich nicht das ganze Geld in der Truhe gelassen hatte!«
»Weiß er das?«, fragte Helen.
Das fragte Nathaniel sich auch. »Keine Ahnung. Er sagte, er hätte gehört, dass Vater mit unseren Gewinnen geprotzt hat. Hoffentlich hat er keine konkrete Summe genannt.« Er seufzte. »Ich hoffe nur, dass wir ihn nie wiedersehen.« Doch er glaubte es nicht.
Helen betrachtete ihn aus ernsten haselnussbraunen Augen – den Augen ihrer Mutter, die vor vielen Jahren gestorben war. »Ich bin froh, dass du nicht schwerer verletzt wurdest.«
»Danke.«
Es war lange her, dass er ein freundliches Wort von einem Familienmitglied gehört hatte. Die freundlichen Worte einer Frau waren Balsam für ihn, auch wenn sie von seiner Schwester kamen. Trotzdem wünschte er, sie könnten zu dem kameradschaftlichen Verhältnis zurückfinden, das sie früher einmal gehabt hatten, auch wenn sie schon damals Lewis lieber gemocht hatte.
Einen Augenblick lang fragte er sich, wie Helen Lewis so idealisieren konnte – genau wie alle anderen Frauen aus ihrer Bekanntschaft, die nur sein gutes Aussehen und seine charmante, sorglose Art wahrnahmen. Doch dann sagte er sich, dass Helen ihren älteren Bruder nicht so kannte wie er. Lewis war als Junge fortgegangen, erst auf eine Schule, dann nach Oxford. Danach hatte er seine Bildungsreise gemacht und von da an hatte er stets einen Großteil seiner Zeit in London oder auf dem Landsitz eines Freundes verbracht.
Nathaniel war als Junge von einem Hauslehrer unterrichtet worden und dann wie Lewis nach Oxford gegangen. Sein erstes Jahr dort war mit Lewisʼ letztem zusammengefallen und er hatte recht viel Zeit mit Lewis und seinen Freunden verbracht. Er hatte gesehen, wie sein Bruder sich verhielt, wenn er nicht den Zwängen und Pflichten unterworfen war, die zu Hause herrschten. Wie viel Zeit hatte Helen dagegen mit Lewis verbracht? Sie hatte ihn doch nur in den Ferien zu Gesicht bekommen.
Nathaniel wollte nicht schlecht über seinen Bruder reden. Er liebte ihn und würde ihn immer lieben, auch wenn er ihn nicht immer mochte oder achtete. Lewis schien seinen Charme für das weibliche Geschlecht aufzusparen, einschließlich ihrer Schwester – und wer konnte ihm das verübeln? Wie oft hätte Nathaniel, wenn es um Frauen – oder jedenfalls eine bestimmte Frau – ging, seine besseren Noten und Leistungen mit Freuden für einen Bruchteil dieses Charmes eingetauscht?
Am Abend trottete Margaret abermals hinter Betty her durch das Haus und die Treppe ins Souterrain hinunter. Sie hatte nur noch den einen Wunsch, auf ihr Zimmer zu gehen und zu schlafen, doch stattdessen folgte sie Betty wie ein müdes Entenküken seiner Mutter.
»Heute erwartet uns noch etwas ganz Besonderes, Nora. Monsieur Fournier hat ein Festessen zubereitet, um Mr Upchurch zu Hause willkommen zu heißen, und wir bekommen jetzt die Reste zum Abendbrot.«
Und es war in der Tat ein Festessen, auch wenn Margaret es nicht gewöhnt war, sich von Platten zu bedienen, die bereits angegessen waren, und Soßen zu essen, die geronnen waren. Doch die anderen Diener strahlten vor Vorfreude und schienen nichts dagegen zu haben, dass ihnen sozusagen ein Essen aus zweiter Hand vorgesetzt wurde.
Monsieur Fournier machte weit ausholende Bewegungen und deutete mit einem behaarten Finger auf die verschiedenen Gerichte: Nudelsuppe, Forellenfilet, gebratene Taube, Schnittbohnen und Gartenkürbis in weißer Soße. Und dann das Dessert – Stachelbeertarte mit frischer Ananas.
Alle waren begeistert, als sie das Dessert sahen, denn Ananas war ein seltener Leckerbissen.
Mr Hudson sprach das Tischgebet und sie begannen zu essen. Höflich reichten sie einander die Speisen, wenn sie darum gebeten wurden, und aßen
Weitere Kostenlose Bücher