Die Magd von Fairbourne Hall
kann warten.«
»Wärst du so nett? Das ist lieb von dir, Nora.« Betty ließ sich wieder auf den Stuhl sinken.
Fionas Augen verengten sich, bestimmt zweifelte sie an ihrem Motiv.
In Wahrheit wollte Margaret einfach eine Entschuldigung, um das Zimmer zu verlassen und nach Weavering Street zu gehen, ohne dass Betty mitbekam, dass Miss Upchurch ihr diese Besorgung anvertraut hatte. Allerdings wagte sie nicht zu gehen, ohne Mrs Budgeon zu informieren.
Sie holte die sauberen Laken aus dem Waschhaus und trug sie zum Wäscheschrank, damit die Haushälterin sie hineinlegen konnte. Dabei konnte sie sie auch gleich über ihre Besorgung informieren.
»In Ordnung, Nora.« Mrs Budgeon war überraschend freundlich. »Ich kann mich doch darauf verlassen, dass du gleich zurückkommst?«
»Ja, Maʼam.« Margaret machte eine Handbewegung. »Ich bin sofort wieder da.«
Die Haushälterin nickte.
Margaret fragte: »Hätten Sie etwas dagegen, wenn das unter uns bleibt?«
Die Haushälterin runzelte die Stirn. »Warum sollte das ein Geheimnis bleiben?«
»Ich möchte nicht, dass Betty gekränkt ist.«
Mrs Budgeon betrachtete sie eingehend. Margaret fürchtete schon, sie hätte zu viel gesagt, sei zu dreist gewesen – als könnte ein Erstes Hausmädchen von einem bedeutungslosen Neuankömmling wie ihr etwas zu befürchten haben.
»Gut, Nora. Ich weiß, was du meinst. Man sollte niemandes Gefühle verletzen, wenn man es vermeiden kann. Aber sollte Miss Upchurch beschließen, dich öfter einzusetzen, oder sogar offiziell, werden ein paar verletzte Gefühle unumgänglich sein.«
»Ich hoffe nicht auf etwas Offizielles oder Bleibendes, Mrs Budgeon. Ich möchte einfach nur tun, was ich kann.«
Die Haushälterin zog eine Braue hoch. »Nun gut. Wir werden sehen.«
Ein paar Minuten später verließ Margaret, den Pompadour über dem Handgelenk und die Haube fest unter dem Kinn zusammengebunden, durch den Dienstboteneingang das Haus, stieg die Treppe hinauf und ging über die Einfahrt. Sie genoss die seltene Freiheit, das Alleinsein, die Sonne und die frische Luft. Es war schön, die Hände einmal nicht in Lauge oder Politur oder Terpentin zu haben. Ihre Schritte knirschten auf dem Kiesweg zwischen dem Garten und den Rasenflächen, tief atmete sie den Duft nach Rosen und frisch gemähtem Gras ein und spazierte glücklich die Straße entlang. Jester war nirgends zu sehen; sie fragte sich, wo er wohl gerade stecken mochte.
Sie hatte gerade den Gehweg vor der Ladenreihe von Weavering Street erreicht, als Nathaniel Upchurch aus der Schmiede auf der anderen Straßenseite trat, Jester neben sich. Ihr Herz machte einen kleinen Satz. Nathaniel blickte zu ihr hinüber und runzelte die Stirn. Er wirkte verwirrt, ja missbilligend, beim Anblick eines seiner Hausmädchen, das durch das Dorf schlenderte. Sie zog den Kopf ein.
Ob er sie wohl grüßte, wenn sie sich auf der Straße begegneten? Sie bezweifelte es. Schließlich war sie nur eine Dienerin. Er hielt Distanz zu den Dienstboten, bis auf Mr Hudson, der für ihn eher ein Freund als ein Verwalter zu sein schien.
Jester kannte keine solchen Vorbehalte. Der Hund kam über die Straße gelaufen und wedelte heftig mit dem Schwanz; die Zunge hing ihm aus dem Maul. Sie streichelte seinen Kopf, blieb jedoch nicht stehen. Als sie zum Krämerladen kam, sah sie aus dem Augenwinkel, dass Mr Upchurch die Straße überquerte und auf sie zukam. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie wandte sich ab und tat so, als betrachte sie eine Auslage. Dabei war sie sich so sehr bewusst, dass sie beobachtet wurde, dass die Waren einen Moment vor ihren Augen verschwammen, doch dann blinzelte sie und sah genauer hin. Die Chatelaine war fort.
Voller Angst lief Margaret in den Laden; Nathaniel Upchurch und sein Hund waren vergessen. Der schmächtige Ladenbesitzer blickte hinter der Theke auf, als sie hereinkam.
»Die Chatelaine, Sir. Ist sie verkauft?«
»Nein, sie ist noch da. Ich habe sie ins Fenster nach vorn geholt, damit sie richtig zur Geltung kommt.«
»Oh.« Sie atmete erleichtert auf. »Gut.« Sie zögerte. »Dürfte ich sehen, was für Knöpfe Sie haben?«
»Knöpfe?« Er schien enttäuscht, erholte sich aber rasch. »Natürlich.« Dann zog er eine lange, flache Schublade mit den verschiedensten Knöpfen heraus und stellte sie auf die Theke vor sie hin.
Sie wählte zwei schöne, bläulich-grün gemaserte Knöpfe. Als sie sie in die Hand nahm, um sie zu vergleichen, sah sie plötzlich Bettys traurige blaue
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