Die Magd von Fairbourne Hall
hatte. Margaret grinste. »Trotzdem, ich weiß es zu schätzen. Du hättest mir ja auch sagen können, ich soll mir selbst eins nähen.«
Fiona legte den Kopf schief. »Stimmt! Warum ist mir das bloß nicht rechtzeitig eingefallen?«
Aber Margaret war sicher, ein kleines humorvolles Blinzeln in Fionas grünen Augen gesehen zu haben.
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15
Die Hand ist doch wohl gar zu fein.
Dies Füßchen so zierlich und klein.
Die Sprache, die ich führe,
die Taille, die Turnüre,
dergleichen finden Sie
bei einer Zofe nie!
Arie der Adele »Mein Herr Marquis« aus der Operette Die Fledermaus von Johann Strauß
Hufgeklapper. Das Klirren von Geschirr. Margaret in ihrem Dachzimmer hörte es nur von fern.
An diesem nieseligen Septembernachmittag hatte man ihr befohlen, das alte Schulzimmer zu putzen, das jetzt als Lagerraum diente. Unter dem Fenster standen Eimer und fingen die Tropfen auf, die aus dem undichten Dach fielen. An der Wand gegenüber der Tür standen mehrere Truhen, nebeneinander aufgereiht wie Särge. In einer der Truhen hatte sie die Lehrbücher, Schiefertafeln und Karten verstaut, die zuvor in einem hohen, verstaubten Haufen in der Ecke neben dem Kamin gelegen hatten. Eine andere war bis oben hin vollgestopft mit alten Ballkleidern, die schon seit vielen Jahren nicht mehr modern waren. Aus Miss Helens Debütantinnenzeit, ver mutete sie.
Mrs Budgeon hatte sie außerdem angewiesen, die Feuerstelle und das Ofenrohr zu reinigen, die seit Jahren nicht mehr benutzt wurden und stark verschmutzt waren. Warum gerade jetzt?, hatte Margaret sich im Stillen gefragt. Anscheinend wollte die Haushälterin dafür sorgen, dass das neue Mädchen auf keinen Fall eine zu hohe Meinung von sich bekam.
Im Moment versuchte Margaret, das Ofenrohr mit – ja, tatsächlich mit der Bürste, die für das Ofenrohr bestimmt war, zu reinigen. Sie war richtig stolz auf sich, dass sie das richtige Werkzeug gewählt hatte. Während der Arbeit hatte sie näher kommende Schritte und das Läuten einer Glocke gehört, aber sie war zu beschäftigt, um darauf zu achten.
Der Winkel, in dem sie kauern musste, um das Ofenrohr reinigen zu können, zwang sie zu einer sehr anstrengenden Haltung. Margaret kniete vor dem Kamin und beugte sich vor, sodass ihr Kopf in der Feuerstelle steckte. Eine flüchtige Sekunde lang dachte sie, wie gut es doch war, dass sie eine Perücke trug, denn wenn sie sich nicht vorsah, wäre ihr Haar sonst im Handumdrehen schwarz. Als ihr das einfiel, nahm sie die weiße Haube ab und warf sie außer Reichweite, weil sie sie nicht ruinieren wollte. Dann kratzte sie das Innere des Rohres mit der Bürste aus. Dabei löste sich ein dicker Rußpfropfen und eine Staubwolke rieselte auf sie herab. Sie hustete und schloss die Augen und überlegte dabei, wie sich der Ruß wohl auf die Lungen und das Sehvermögen eines Menschen auswirkte. Dann kratzte sie weiter.
Plötzlich flog die Tür hinter ihr auf. Margaret fuhr zusammen und stieß sich den Kopf am Kamin.
Sie zog den Kopf ein und sah, wie Betty hereinstürmte, wild gestikulierend. »Da bist du ja!«, keuchte sie. »Hast du denn die Glocke nicht gehört?«
Margaret prüfte rasch mit einer rußgeschwärzten Hand die Perücke, während sie den Kopf aus der Feuerstelle zog. »Nein! Nicht mit dem Kopf im Kamin. Warum?«
»Sie ist das Zeichen, dass wir uns alle in der Haupthalle versammeln sollen.« Betty betrachtete Margarets Gesicht und stöhnte. »Du hast Ruß auf der Brille. Und im Gesicht auch. Aber wir haben keine Zeit mehr. Alle anderen sind schon unten.« Sie bückte sich, nahm ein sauberes Tuch aus dem Putzkasten und reichte es Margaret. »Hier.«
Margaret nahm das Tuch, richtete sich mit schmerzenden Knien auf und wischte sich ihre Hände ab. »Warum eine Versammlung?«, fragte sie. »Wir hatten unsere Andacht doch schon.«
»Da ist jemand gekommen und wir sollen sofort nach unten kommen. Mehr weiß ich auch nicht. Aber das ist jetzt zehn Minuten her!«
Sie legte Margaret die Hand in den Rücken und drehte sie energisch zur Tür. »Los jetzt, gehen wir!«
Margaret ließ das Tuch fallen, bückte sich rasch, um ihre Haube aufzuheben, und setzte sie wieder auf. »Gut?«, fragte sie und sah Betty an, während sie zusammen zur Treppe liefen.
Betty verzog das Gesicht. »Hier, nimm mein Taschentuch und wisch dir wenigstens die Brille sauber.«
»Aber das ist dein bestes Taschentuch!«
»Mach schon, wir haben keine Zeit zum Streiten!«
Margaret nahm
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