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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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versuchte, sich ihm zu entziehen, doch da sie immer noch vornübergebeugt war, fiel sie nach vorn. Ihre Ellbogen lagen neben seiner Brust. Sie schrie auf, riss sich los und sprang auf.
    »Was zum …« Seine Stimme klang plötzlich anders. Klar, wenn auch immer noch rau. Er war wach.
    Sie drehte sich um und flog zur Tür.
    Ungläubig rief er ihr nach. »Was um Himmels willen …?«
    Zu erschüttert, um ihren Akzent beibehalten zu können, lief sie wortlos hinaus.
    Der Himmel mochte ihm beistehen – was war da gerade passiert? Sein Kopf war ein Sumpf voller widersprüchlicher Gedanken, Bilder, Gefühle … Hatte er geträumt? Allmächtiger Vater . War eine gutmütige Dienerin in sein Zimmer geschlüpft, um ihn zu beruhigen, und er hatte sie in sein Bett gezerrt? Was hatte er sich nur gedacht? Er schloss die Augen und versuchte sich zu erinnern. Der widerliche, dicke Rauch des Traums legte sich über ihn wie ein schwerer Mantel, sodass er plötzlich kaum noch Luft bekam. Er spürte noch das Entsetzen, die Wut, die Wildheit des Feuers. Sein Schiff. Es wurde zerstört.
    Bruchstücke des Traums tauchten vor ihm auf. Hatte er so laut gerufen, dass jemand von der Dienerschaft aus dem Stockwerk über ihm hinuntergelaufen war? Du meine Güte! Er hatte doch seit seiner Kindheit keine Albträume mehr gehabt. Wahrscheinlich waren sie wieder aufgetreten, weil er in letzter Zeit so viele Belastungen hatte. Doch der Verlust seines Schiffes war nicht das schwerste Gewicht auf seiner Brust gewesen, nicht das war der quälende, bedrückende Gedanke, an den er sich nun einfach nicht mehr erinnern konnte.
    Wann hatte der Traum sich verändert? Er hatte mit Preston gefochten. Beide hatten sie den Landungssteg erreicht und sich gegenseitig an der Flucht gehindert, als er eine Frauenstimme hörte, die nach ihm rief. Margaret . Entsetzt erkannte er ihre Stimme. Was tat sie an Bord seines Schiffes? Wie war sie dort hingekommen? Er blickte wild um sich, versuchte sie zu entdecken. War sie vielleicht unter dem schnell anwachsenden Berg einstürzender Maste und Takelagen begraben, der einst sein kostbarer Besitz gewesen war?
    Er wollte sie rufen, doch seine Stimme klang gedämpft, wie durch einen Berg verfilzter Wolle. Sie konnte ihn unmöglich hören, das Feuer um sie herum toste viel zu laut, die Luft war erfüllt vom Krachen einstürzender Balken.
    Preston nutzte seine Verstörung und trieb sein Schwert tief in Nathaniels Brust. In sein Herz. Es brach. Oh Margaret, warum? Doch auch wenn sie sein Glück und seine Träume zerstört hatte, musste er sie retten. Er rannte übers Deck, die Hand auf seine Wunde gepresst, und schob einen umgestürzten Besanmast aus dem Weg. Der Rauch brannte in seinen Augen und versengte seine Kehle. Sein Hals war ausgetrocknet.
    »Wo bist du? … Wir müssen von Bord …Ich kann sie nicht retten.«
    Doch plötzlich, wie durch ein Wunder, lag sie in seinen Armen. Sicher. Ihre Umarmung fühlte sich so real an, so süß und schmerzlich real. Und auf einmal war die Vergangenheit wie ausgelöscht. Sie war bei ihm, nur das zählte. Er würde nicht einen einzigen Moment verschwenden. Er zog sie dicht an sich, genoss es, sie zu spüren. Er presste seinen Mund auf ihren und küsste sie leidenschaftlich, so, wie er es sich immer erträumt hatte …
    Erträumt …
    Enttäuschung überwältigte ihn. Es war nur ein Traum gewesen. Ein köstlicher, quälender Traum. War wirklich eine Frau in seinem Zimmer gewesen? Ein unschuldiges Hausmädchen, das seinen Nachttopf leeren wollte und von seiner tollpatschigen Raserei erschreckt worden war? Er hatte sich vor langer Zeit gelobt, dass er niemals leichtfertig mit denen umgehen würde, die für ihn arbeiteten. Dass er die weiblichen Bediensteten genauso achten würde wie die männliche Dienerschaft. Dass er ein gütiger Herr für sie sein würde, wie sein Vater im Himmel es für seine Diener war.
    Nathaniel fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Er ließ sie auf seinen Lippen liegen – den Lippen, die er auf Margaret Macys gepresst hatte. Warum war er dessen so sicher? Was hatte er getan – wie sollte er es je erklären können? Er wusste nicht einmal, welches Mädchen es gewesen war. Wahrscheinlich war das arme Ding nach dem Frühstück schon fort, nachdem es der entsetzten und missbilligenden Mrs Budgeon erzählt hatte, wie er sie belästigt hatte. Oder sie blieb, verzweifelt, und versuchte von nun an, ihm auf Fairbourne Hall aus dem Weg zu gehen.
    Er verzog das Gesicht und

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