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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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fühlte Kyrrispörr sich zum ersten Mal seit Langem wieder körperlich wohl. Der Kampf mit Feilan und die Erinnerungen an Hvelp, die nicht minder schmerzhaft waren als Feilans Schlag, gingen ihm durch den Kopf. Auch an Eyvinds Bemerkung gegenüber den hohen Herren im Zelt musste er denken: Dass Eyvindr bemerkt hatte, Kyrrispörr könnte bald mannbar gemacht, also in den Stand eines Erwachsenen erhoben werden. Zudem hatte Eyvindr ihn vor den versammelten Anführern als Seimann bezeichnet. Hæric wäre das nie eingefallen … Oh, hätte sein Vater das doch nur miterleben können … Ihn überkam tiefe Trauer, bis sich gnädig die Schwere der Sauna auf ihn niedersenkte und er von dem Rascheln und gelegentlichen Muhen der Kühe, die im hinteren Teil des Hauses im Stall standen, in einen tiefen Schlaf geschaukelt wurde.
     
    Kyrrispörr hatte kaum etwas mit anderen zu tun. Schließlich war er neu hier, kannte keinen außer Eyvind und dessen Gefolge, und auch die nur flüchtig.
    »Er ist ein Seimar«, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Auch wenn das Dörflein Eyvind die Treue hielt: Die Seher erweckten bei den Bewohnern Unbehagen. Mit den Wirkern von Schadzaubern wollten sie wenig zu tun haben, auch wenn die Wahrsagungen und Götter- und Geisteranrufungen der Seimenn hoch im Kurs standen. Zudem hatte Kyrrispörr rasch herausgefunden, dass die Gemeinschaft der Siedlung merkwürdig gespaltet war: die Sippe der Lachsschupper lehnte jeden Kontakt zu Eyvinds Mannen ab, der nicht von dem ungeschriebenen Gesetz der Gastfreundschaft gefordert wurde. Selbst die Kinder machten einen Bogen um sie. Die Steinbrecher dagegen war offener. Auch sie mieden die Seimenn, doch gingen sie offen mit den anderen Gefolgsleuten um und die Kinder bestaunten die Seher. Beide Sippen wiederum verhielten sich zueinander reserviert, wenngleich sie im Alltag zusammen arbeiteten. Und das Ganze bei einem Dörflein von einer Handvoll Einwohner. Zwar kannte Kyrrispörr dergleichen von anderen Dörfern, aber da er immer mit den Mannen Tryggvasons auf den Booten gewesen war und von Raubzug zu Bekehrung, von Handelsplatz zu Raubzug gefahren war, war ihm die verknöcherte Art der Dörfler bis heute fremd. So war Kyrrispörr allein, nur bestaunt von den kleinen Kindern, wenn er mit Laggar falknerische Kunststücke übte, und wenn er zu Eyvind Kelda oder Orm Hrolofson zum Üben gerufen wurde oder es zum Essen oder in die Sauna ging.
     
    Feilanr mochte ihn nicht und deswegen mochte er Feilan nicht. Wie schon beim ersten Mal, wo sie sich gesehen und gekämpft hatten, trug Feilanr stets jene desinteressierte Miene zur Schau, mit der er auf Kyrrispörrs gut gemeinte Aufforderungen und Bemerkungen reagierte. Zu Kyrrispörrs Leidwesen musste er trotzdem täglich mit Feilan üben, mal mit Schild und Knüppelschwert, mal beidhändig mit Holzmesser und Schwert, mal – wobei Ormr Hrolofson die Nase rümpfte – mit dem Speer. An Kraft und Größe überlegen, ging Feilanr stets mit mehr Siegen aus den Scheingefechten hervor als Kyrrispörr.
    »So lernst du«, sagte Ormr Hrolofson. Und als er mit Eyvind sprach, da spornte der Meisterseher seinen Eifer so sehr an, dass ihm selbst das Griesgrämige seines Übungspartners gleichgültig wurde:
    »In ein, zwei Wochen sind alle für das Þing versammelt, Kyrrispörr. Dann fahren wir gegen Olaf den Brenner, und du wirst deine Rache für Hæric Harekson bekommen!«
    An diese Worte musste Kyrrispörr künftig immer denken, wenn Feilans Miene ihm die Freude am Kämpfen zu vergällen drohte oder er wieder mehr Prügel einstecken musste, als er austeilte.
     
    »Du sollst zu Eyvind Kelda kommen«, teilte ihm ein kleiner Junge mit, gerade, als er nach einer Sauna aus dem Wasser stieg und sich bibbernd trocken rieb. Kyrrispörr bemerkte sofort die Blicke der anderen, die unwillkürlich ein Stück von ihm abrückten, und sagte absichtlich laut:
    »Gut, sag ihm, der Kyrrispörr Hæricson kommt.« Neben sich hörte er ein verhaltenes Lachen. Er legte den Wollstoff beiseite, unterdrückte das Kältezittern, drehte sich in demonstrativer Gelassenheit zu dem Spötter um, der kein anderer als Feilanr war, stemmte die Fäuste in die Hüften und reckte kampfeslustig das Kinn.
    »Nun?«, fragte er. Feilanr behielt zwar die Andeutung eines Lächelns auf den Lippen, aber er schlug immerhin die Augen nieder und winkte ab. Wenn er eine spöttische Bemerkung auf der Zunge gehabt hatte, hatte er sie sich verbissen. Kyrrispörr zwang sich, trotz der

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