Die Magie des Falken
Treffer, halfen dabei, das Bild des Todes zu vertreiben. Als er am Abend von Eyvind in der Anwendung von Kräutern und Samen eingewiesen wurde, die den Geist für die Götter öffneten, war er ganz bei der Sache. Ihn faszinierte das Mazerieren und Auskochen der Blätter, von deren Sud Eyvindr ihn nur einen Tropfen probieren ließ, und der ihn dennoch an den Rand jenes Zustandes brachte, den er bei Þorkells Behandlung erlebt hatte. Als Eyvindr die ersten Anrufungen und Wahrsagungen mithilfe von Tränken durchführen ließ, da war das für Kyrrispörr ein berauschendes und unvergleichliches Erlebnis – und eine Erweiterung seines Könnens als Seimar, von der er nicht zu träumen gewagt hatte. Seine Wahrsagerei für Astrid kam ihm bald kindisch vor.
»Verwende dies mit Weisheit«, mahnte Eyvindr. »Es ist mächtiger Sei. Hæricr hat es dir nicht umsonst vorenthalten. Wenn du es leichtfertig nutzt, behalten die Geister dich in ihrer Welt, und dein Körper wird zu einer lächerlichen Gestalt wie der von Lafskegg.«
Kyrrispörr hatte Lafskegg bislang für einen großen Seimann gehalten, war er doch stets entrückt, murmelte dauernd Unverständliches und trug ganze Sammlungen von Tierschädeln an Schnüren mit sich herum. Dass Eyvindr ihn jetzt als lächerlich bezeichnete, fand Kyrrispörr erstaunlich.
»Der arme Lafskegg war ein Tor. Die Geister lenken ihn, nicht umgekehrt. Er ließ sich verführen. – Lass dir das eine Warnung sein. Denke immer an ihn, wenn du die Macht der Kräuter nutzen willst. Ihre Macht ist nicht weniger gefährlich, als sie groß ist.«
Der Überfall auf Olaf Tryggvason
Zehn Tage vergingen auf diese Art wie im Flug. Täglich trafen weitere Gruppen mit dem Boot oder zu Pferd im Dorf ein und verwandelten den Flecken in einen Ameisenhaufen: Seher, Hersire mit ihrem Gefolge, aber auch Händler strömten aus allen Teilen Norwegens herbei.
Eyvindr bat Kyrrispörr an manchen Abenden, über Olafs Flotte zu berichten – die Zahl der Frauen, Kinder und Männer, ihre Bewaffnung und ihr Kampfeswille, die Kampftaktiken und die Bewachung der Feldlager, das Vorgehen beim Besuch von Gehöften, wer Priester des Christentums und wer Seimar war – bis in die frühen Morgenstunden dauerten ihre Unterhaltungen, die Kyrrispörr durch Beerenwein und einen Löffel von Þorkells Honig versüßt wurden. Kleinigkeiten und Nebensächlichkeiten, alles interessierte Eyvind Kelda. Schließlich entließ er ihn mit den Worten:
»Schlafe jetzt. Heute keine Übungen. Am Abend wirst du beim Þing an meiner Seite sein und über Olaf erzählen. Diese Versammlung ist wichtig – ruh dich aus, Seimar Kyrrispörr Hæricson.«
Trotz der aufregenden Aussichten schlief Kyrrispörr wie ein Stein.
Als er am Tag der Þingversammlung erwachte, ließ er sich Zeit mit dem Aufstehen. Eine Weile lang genoss er es, einfach in die Luft zu starren, die Geräusche des Tages und das Muhen der Rinder im hinteren Teil des Langhauses durch
die Wände dringen zu hören und die hellen Lichtstreifen
hoch über sich im Dach zu mustern. Und er freute sich darauf, Æringas Gesicht zu sehen … Als er schließlich die Beine über die Bettkante schlug, sah er, dass seine derbe Alltagskleidung ausgetauscht worden war. Sorgsam gefaltet lagen an ihrer statt ein mit prächtigen Borten versehener, feiner Kittel, eine weite Leinenhose und ein dicker, gleichfalls mit Stickereien gesäumter Mantel. Darunter standen Stiefel aus gutem Leder. Sein Herz tat einen erfreuten Sprung, als er den breiten Gürtel mit bronzener Gürtelzunge und einem langen, in einer dunkelschimmernden Scheide steckenden Kampfmesser liegen sah. Sachte zog er es aus der Scheide und bewunderte den Stahl, der in der Bahn aus Sonnenlicht glänzte, die durch das Rauchloch einfiel. Neben ihm raschelte Laggar mit dem Gefieder, als teile er seine Bewunderung.
Nachdem er sich bedächtig die prachtvollen Gewänder angelegt hatte, schloss er die Zwiebelfibel mit dem erfreulich langen Dorn auf seiner rechten Schulter. Braune Hosen, das blutrote Wams, der dunkelblaue Umhang – jetzt sah er wirklich wie ein Seimar aus. Nicht wie einer dieser entrückten Finnen, der Tierschädel- und Fellträger, wie sie ihnen auf dem Festland immer wieder begegnet waren, sondern wie einer der kämpfenden Seimenn, die Olaf Tryggvason beraten hatten.
»Ah, du bist wach! Setz dich kurz hin.«
Erschrocken fuhr er herum. Er hatte gar nicht bemerkt, dass Æringa im Raum war. Sie musterte ihn mit einem
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