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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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er einem heranwirbelnden Schöpflöffel ausweichen, um im nächsten Moment einem bärtigen Hünen mit hochrotem Kopf Platz zu machen. Unter ohrenbetäubendem Schimpfen in unverständlichem ostnordischen Dialekt jagte er dem Flüchtenden hinterher, offensichtlich um ihn für etwas durchzuprügeln, was dessen Uronkel seinem Großvater angetan haben sollte. Da aber Þingfrieden erklärt worden war, hüteten sich die beiden davor, ihre Waffen blankzuziehen: Suppenbeutel und Löffel ersetzten Wurfmesser und Schwert. Als der Hüne seinen Gegner erreicht hatte, packte er ihn zwar, die beiden Streithähne wurden aber sogleich von mehreren laut lachenden Männern und zwei außerordentlich handfesten Frauen auseinandergerissen und verzogen sich grummelnd zu ihren Zelten.
    Kyrrispörr ließ sich weiter von Feuer zu Feuer treiben, sah hier zu, wie heiße Steine zischend in einen Lederbeutel voller Fischsuppe geworfen wurden, wechselte dort Worte mit einem Hersir, der etwas abseits sein Schwert polierte, und mit einem Knecht, der den riesenhaften Seeadler seines Herrn fütterte. Fortwährend musste er dabei an Æringa denken.
    »Kyrrispörr!«
    Sein Herz machte einen Freudensprung, als er Æringa auf sich zukommen sah.
    »Seid ihr schon fertig mit dem Langhaus?«, fragte er und spürte sein Herz schnell schlagen, als sie vor ihm stehen blieb, zu verschüchtert, um sich dichter an ihn zu wagen, dabei sah Kyrrispörr, dass es sie genauso zu ihm drängte wie ihn zu ihr. Sich gar an den Händen zu nehmen, wagten sie natürlich nicht, erst recht nicht hier. Aber sie schlenderten so dicht nebeneinander her, wie es nur möglich war, und nutzten beide jede sich bietende Engstelle in der Menge, um sich dicht aneinandergedrängt hindurchzuzwängen. Es war wie ein Spiel, ein klein wenig verboten, ein klein wenig gewagt, und deswegen umso reizvoller. Kyrrispörr fühlte sich glücklich wie noch nie im Leben.
    Er war so gefesselt davon, dass er gar nicht bemerkte, wie die Zeit verflog. Als die Sonne gut zwei Spannen über dem Horizont stand, verkündete ein Ausrufer den baldigen Beginn des Þing.
    »Ich muss zurück«, flüsterte Æringa. »Ich muss helfen.«
    Kyrrispörr nickte. Zum Abschied berührten sich ihre Hände, sanft wie ein Hauch und erschütternd wie ein Blitzschlag. Dann war sie fort. Kyrrispörr blickte noch einmal voller Glück in den Himmel und atmete tief ein.
    Als er seine Augen wieder senkte, kroch Aufregung in sein Hochgefühl. Eyvindr hatte ihn gebeten, vor dem Thing zu sprechen … vor all diesen Menschen … Die Vorstellung ließ ihn erschaudern. Er eilte, um seinen Falken zu holen. Mit Laggar auf der Faust war ihm wohler: Da hatte er einen, der immer zu ihm hielt. Neben Æringa natürlich. Allein die Vorstellung, dass sie ihn mit dem Falken auf der Faust beim Þing sehen könnte, war erhebend.
     
    Das Þing selbst sollte nicht etwa im Langhaus stattfinden, sondern auf der Wiese vor dem Dorf, die nur mit Mühe und dank einer darauf grasenden Rinderherde von Zelten freigehalten und noch nicht von unzähligen Füßen schlammig getrampelt worden war. Da die Herren der einzelnen Regionen ebenso wie die Seimenn sich alle als gleichgestellt ansahen, bildeten sie einen sehr großen Kreis. Ihr Gefolge drängte sich dahinter.
    Es dauerte eine Weile, bis sich alle eingefunden hatten. Kyrrispörr sah nur wenige Speere, dafür aber reichlich Äxte und prachtvolle Schwerter in ihren Scheiden. Manch einer trug seinen Helm in der Armbeuge: Schwere, konische Eisenhauben, die zumeist nur ein Nasal zum Schutz des Gesichts, selten eiserne Brillen und Kettenglieder zum Schutz des Nackens, niemals aber Hörner trugen. Hier und da hatten die Herren auch ihre bunt bemalten Rundschilde mitgebracht. Wieder fiel Kyrrispörr das ungewöhnliche Auftreten vieler Seimenn auf, wie es bei den Sehern unter Olafs Gefolge nicht üblich gewesen war. Einer war ganz in Robbenfell gehüllt, ein anderer trug die Schädel einer halben Rentierherde um den Hals, einer summte unaufhörlich vor sich hin und hatte dabei die Augen so weit verdreht, dass man nur das Weiß seiner Augäpfel sah. Ein anderer trug jenen Stab in der Rechten, den eigentlich nur die Völven führten, die Seherinnen. Andere wiederum waren wie Eyvindr festlich gekleidet, zumeist weniger kostbar als die Hersire, dafür aber häufig mit Taschen für Kräuter und magische Utensilien an den Gürteln. Nur eine konnte er nicht unter den Menschen entdecken: Æringa.
    Die Oberhäupter der beiden

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